Rheinbach. Der Mikrobiologe Michael Kresken kritisierte am Europäischen Antibiotika-Resistenztag den häufig ungenauen Einsatz des Medikaments, der zu einer Resistenz der Bakterien beitragen könne. Zudem bemängelte er das fehlende Engagement der Pharmafirmen neue und bessere Antibiotika herzustellen.

Für die Unempfindlichkeit vieler Bakterien gegen Antibiotika sind nach Ansicht eines Experten oftmals Ärzte verantwortlich, die zu ungenau beim Einsatz dieser medizinischen Keule vorgehen.

Häufig würden in Deutschland breit wirksame Substanzen eingesetzt, statt zielgenau einen Krankheitserreger anzugehen, sagte der Mikrobiologe Michael Kresken von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft im nordrhein-westfälischen Rheinbach anlässlich des fünften Europäischen Antibiotika-Resistenztags am Sonntag.

Wachsendes Problem

Zudem bemängelte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd das Engagement von Pharmafirmen bei der Entwicklung besser wirksamerer Präparate. Dies wies ein Verband aus der Pharmabranche zurück. Ob aus der nicht zielgerichteten Verschreibung tatsächlich eine größere Resistenz resultiert, ist laut Kresken noch nicht eindeutig belegt. In Schweden, wo Antibiotika von Ärzten etwas stärker "auf den Punkt" verordnet würden, gebe es aber niedrigere Werte von Resistenzen.

Am Freitag hatte das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten auf das in mehreren Ländern wachsende Problem hingewiesen, dass Antibiotika im Kampf gegen Erreger versagten. Für Deutschland wurde keine dramatische Zunahme festgestellt.

Ärzte verschreiben häufig zu viele Antibiotika

Als kritisch sieht der Mikrobiologe Kresken auch die teils überflüssige Verschreibung von Antibiotika an. So bekämen deutsche Patienten - außerhalb von Kliniken - etwa 50 Prozent mehr Antibiotika als die Schweizer. Dennoch stehe Deutschland im europaweiten Vergleich relativ gut da. So sei der Pro-Kopf-Verbrauch etwa in Griechenland doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik.

Ein weiteres Problem sah Kresken in der nach seiner Ansicht schleppenden Entwicklung neuer Antibiotika. Häufig seien sie für die Pharmafirmen nicht besonders lukrativ: "Ich glaube, dass schlichtweg an Antibiotika nicht so viel zu verdienen ist." Wenn die Patente ausliefen, kämen sogleich nachgemachte Produkte, sogenannte Generika, auf den Markt, die die Preise drückten.

Günstiger als eine Tüte Gummibärchen

"Wenn eine Packung eines Antibiotikums billiger ist als eine Tüte Gummibärchen, kann das natürlich für den Verbraucher eher schädlich sein", sagte Kresken. Dies sei nicht nur schlecht für die Forschung - auch Ärzte verordneten die günstigeren Medikamente häufiger.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) wies die Vermutung zurück, die Unternehmen seien weniger engagiert. Weltweit gebe es nun etwa sieben große und mehr als 15 kleine Firmen, die an neuen Antibiotika forschten, sagte vfa-Sprecher Rolf Hömke der dapd. Erst vergangenen Monat sei ein neues Präparat auf den Markt gekommen, ein weiteres wurde jüngst zugelassen.

Forschung geht nach Angaben der Branche weiter 

Hömke sagte, dass in den 1980er und den 90er Jahren deutlich mehr Antibiotika neu auf den Markt gekommen seien. Damals seien viele "Therapielücken zu schließen" gewesen. Nun kämen weniger Neuigkeiten, doch es werde an spezifischeren Problemen geforscht: "Heute geht es vor allem darum, neue Substanzen für die Fälle zu entwickeln, in denen es Resistenzen gegen Antibiotika gibt."

Einbrüche bei der Entwicklung habe es dabei nicht gegeben: "Eine Reihe großer Firmen ist ausgestiegen. Es sind aber auch etliche große Firmen bei der Antibiotikaentwicklung dabei geblieben." Hinzu kämen viele kleinere spezialisierte Firmen, sagte Hömke.

Arzneien gegen chronische Krankheiten sind lukrativer

Er räumte jedoch ein, in vielen Fällen sei es für Hersteller lukrativer, sich auf Arzneien gegen chronische Erkrankungen zu konzentrieren. "Das hindert aber etliche Firmen dennoch nicht daran, weiter Antibiotika zu entwickeln - auch wenn der Patient damit nur wenige Tage oder Wochen behandelt wird."

Mit Fertigarzneimitteln wurden vergangenes Jahr laut dem Arzneimittelverordnungs-Report in Deutschland 29,7 Milliarden Euro Umsatz erzielt, 0,71 Milliarden entfielen auf Antibiotika. (Liste neuer Antibiotika laut vfa: http://url.dapd.de/r8VVz5 ; Vergleich "Antimicrobial resistance surveillance in Europe 2011": http://url.dapd.de/sheGrL ) (dapd)