Washington. Mit sogenannten Nanofähren haben Forscher eine neuartige Methode entwickelt um Medikamente tief in die Haut einzuschleusen. Das Auftragen eines Gels genügt, um die Wirkstoffe unter die Körperoberfläche zu bringen, wo sie beispielsweise gezielt Hautkrebs oder Schuppenflechte behandeln können.
US-amerikanische Forscher haben neuartige Nanofähren entwickelt, mit denen sich Medikamente tief in die Haut einschleusen lassen. Ein einfaches Auftragen eines Gels genügt, um die mit Wirkstoffen besetzten Goldkügelchen durch sämtliche Barrieren unserer Körperoberfläche zu bringen. Einmal in den Hautzellen angelangt, schalten diese Wirkstoffe dort gezielt krankmachende Gene aus, beispielsweise bei Hautkrebs oder Schuppenflechte, wie die Forscher im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten.
"Diese Methode erlaubt es erstmals, Hautkrankheiten genau dort zu bekämpfen, wo sie entstehen", sagt Studienleiterin Amy Paller von der Northwestern University in Evanston. Das rufe weitaus weniger Nebenwirkungen hervor als bisherige Therapien mit Tabletten oder Spritzen, die meist den ganzen Körper beeinträchtigen.
Unsere Haut wirkt für die meisten chemischen und biologischen Substanzen wie eine Mauer: Sie ist von einer dicken Schicht aus toten Hornhautzellen bedeckt, die größere Moleküle, aber auch kleinere, wasserlösliche Substanzen am Eindringen hindert. Bisher ließen sich daher auf Genebene wirksame Medikamente nicht von außen in tiefer liegende Gewebe bringen, ohne die Haut zu reizen oder zu schädigen. "Genau das macht die neue Technologie so spannend: Sie kann diese Hautbarriere durchbrechen", sagt Paller. Dafür müsse man die Nanofähren nur mit einem Feuchtigkeitsgel oder einer Salzlösung vermischen - Lösungsmittel oder andere aggressive Substanzen seien nicht nötig.
Goldkügelchen mit RNA-Hülle
Die neuen Nanofähren sind tausendmal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares, wie die Forscher berichten. Sie bestehen aus Goldkügelchen, die von einer Hülle aus kleinen RNA-Stücken umgeben sind. Diese Moleküle verbinden sich mit körpereigenen Eiweißen in der Haut und nutzen diese als Transportmittel. In den Zellen lagern sich diese RNA-Moleküle dann je nach Typ nur an ganz bestimmte Gensequenzen in unserem Erbmaterial an. Dadurch blockieren sie nur das jeweilige Zielgen.
"Mit diesem Verfahren können wir nicht nur Hautkrebs, sondern eine ganz neue Bandbreite von Krankheiten angehen", schreiben die Forscher. Denn dank der Entschlüsselung des menschlichen Genoms kenne man inzwischen viele krankmachende Gene. "Wir müssen einfach nur die RNA-Sequenz so anpassen, dass sie auf das jeweilige Zielgen passt", erklärt Koautor Chad Mirkin von der Northwestern University. Dadurch könne man eine Vielzahl genetisch verursachter Krankheiten und Hautleiden behandeln. Genau das mache diese neue Methode der genregulierenden Therapie so effektiv.
Gene in Hautzellen von Mäusen und Menschen ausgeschaltet
In einem Experiment haben die Wissenschaftler mit Hilfe der Nanofähren ein spezielles Gen in den Hautzellen von Mäusen selektiv ausgeschaltet. Obwohl die wirkstoffbesetzten Nanopartikel nur oberflächlich auf die Haut der Tiere aufgetragen wurden, drangen sie tief ein und wurden von den Hautzellen aufgenommen, wie Paller und ihre Kollegen berichten. Dort habe sich der transportierte Wirkstoff gezielt an das Gen für den Wachstumsfaktor EGFR angelagert und es blockiert. Als Folge produzierte die solcherart behandelte Haut diesen bei vielen Krebsarten im Übermaß erzeugten Wachstumsfaktor nicht mehr.
Auch nachdem man die Nanofähren-Creme einen Monat lang täglich aufgetragen habe, seien bei den Mäusen keinerlei Nebenwirkungen aufgetreten, sagen die Forscher. Man habe weder eine Reaktion des Immunsystems festgestellt, noch hätten sich die Nanopartikel in anderen Organen als der Haut angereichert. Das zeige, dass die Behandlung tatsächlich spezifisch auf die Hautzellen beschränkt bleibe. Die Nanofähren erwiesen sich auch in einem Versuch mit menschlichen Hautproben als wirksam. Auch dort schalteten sie nach dem Auftragen den Wachstumsfaktor aus.