Billige Impfstoffe aus China drängen auf den Markt
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Peking. . Mit einer Produktionskapazität von fast einer Milliarde Impfdosen jährlich wird China in den nächsten Jahren den Arzneimittelmarkt verändern. Die Reaktionen darauf sind gemischt: Einerseits können deutlich sinkende Kosten Leben retten. Kritiker haben jedoch Bedenken wegen der Sicherheit.
Impfstoffe "Made in China" sind im Kommen. Für die nächsten Jahre wird erwartet, dass chinesische Hersteller in großem Stil auf den Impf-Markt drängen. Die Reaktionen darauf sind gemischt: Während einerseits deutlich sinkende Kosten für lebensrettende Wirkstoffe in Aussicht stehen, bringen Kritiker Sicherheitsbedenken ins Spiel.
Und für die bisher etablierten Impfstoff-Unternehmen ist eine billigere chinesische Konkurrenz natürlich auch keine angenehme Perspektive. So oder so gilt ein Großauftritt Chinas auf dem Impf-Markt als "Wende im Spiel", wie Nina Schwalbe von der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) es ausdrückt. Die GAVI, die jährlich Impfstoffe für rund 50 Millionen Kinder in den ärmsten Ländern erwirbt, erhofft sich spürbare Ersparnisse und damit Hilfe für noch mehr Kinder. Derzeit stirbt laut GAVI alle 20 Sekunden ein Kind an einer Infektion, die durch Impfung verhindert oder abgemildert hätte werden können. "Wir sind wirklich enthusiastisch angesichts des möglichen Markteintritts chinesischer Impfstoff-Hersteller", sagt Schwalbe.
Weltweit größte Produktionskapazität
Bislang mehr als 30 Unternehmen verfügen nach Einschätzung der US-Zulassungsbehörden über eine Produktionskapazität von fast einer Milliarde Impfdosen jährlich - und damit der weltweit größten. Mit ihrer Schnelligkeit und Kompetenz bei der Entwicklung des ersten wirksamen Impfstoffs gegen Schweinegrippe machten die Chinesen 2009 auf sich aufmerksam. In nur 87 Tagen brachten sie das Immunisierungsmittel zustande.
Zuvor hatten meist die USA oder Europa das Rennen gemacht. Im vergangenen März kam der nächste Sprung: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, dass die chinesischen Behörden für Arzneimittelsicherheit die internationalen Standards bei den Vorgaben für Impfstoffe erfüllten. Damit öffneten sich die Türen für chinesische Impfstoffe, den Anerkennungsprozess der WHO zu durchlaufen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sie von UN-Organisationen oder der GAVI erworben werden können.
Skandale belasten Ruf
Angesichts zahlreicher Skandale im Ernährungs- und Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren muss China aber noch einiges tun, um das Vertrauen der Welt in seine Produktion zu gewinnen. "Ich glaube, die größte Hürde ist, dass wir noch immer das Label 'Made in China' mit uns herumtragen", sagt Helen Yang von der chinesischen Biotech-Firma, die in Windeseile die Schweinegrippe-Impfung entwickelte. Die Verbraucher begründen ihre Skepsis etwa mit Blick auf einen chinesischen Hustensirup, nach dessen Einnahme 2007 mehrere Dutzend Menschen in Zentralamerika starben. Ein Jahr später führte verunreinigter Blutverdünner in den USA zu Dutzenden Todesfällen.
In China selbst litten Hunderttausende Babys nach dem Verzehr verseuchten Milchpulvers an Vergiftungserscheinungen, sechs Kinder starben. Seitdem hat die chinesische Regierung ihre Vorschriften verschärft und strengere Kontrollen sowie härtere Strafen durchgesetzt. Doch nach Ansicht mancher Experten bedarf es aber weiterer Maßnahmen: "In den USA haben wir unterstützende Institutionen wie die Marktwirtschaft, Demokratie, Medienkontrolle, Zivilgesellschaft sowie einen gut entwickelten Ethikkodex der Wirtschaft, aber diese fehlen in China weitgehend", sagt Yangzhong Huang vom Rat für Außenbeziehungen. Es gehe nun für China darum, Stärke und Verlässlichkeit bei der Regulierung und Kontrolle zu beweisen. Die Anerkennung der chinesischen Arzneimittelkontrollbehörden seitens der Weltgesundheitsorganisation ist derweil "kein Blankoscheck", wie WHO-Experte Yvan Hutin betont. Jeder einzelne Impfstoff werde genau beurteilt.
Gegen Enzephalitis, Polio und Rotaviren
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein: Die Biotech-Unternehmen müssen sich und ihre Sicherheits- und Qualitätsstandards etablieren - eine teure und herausfordernde Aufgabe. Zu den ersten Impfstoffen, die vermutlich der Weltgesundheitsbehörde vorgelegt werden, dürfte einer gegen Japanische Enzephalitis zählen. Die eigene Immunisierung wird in China bereits seit rund zwei Jahrzehnten angewandt, mit weniger Nebenwirkungen als andere. Die Hersteller erwarten eine Anerkennung der WHO in rund einem Jahr.
Schweinegrippe geht um die Welt
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In Arbeit sind weiter Impfstoffe gegen Polio, Lungenentzündungen und Rotavirus-Infektionen. "Ich persönlich sage voraus, dass China in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine sehr wichtige Produktionsbasis für Impfstoffe wird", sagt Wu Yonglin von der staatlichen China National Biotec Group (CNBG). Das Unternehmen plant bis 2015 Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro, um die WHO-Vorgaben zu erfüllen.
Mit dem Vormarsch chinesischer Impfstoffe dürfte der Preisdruck für die westlichen Pharmahersteller spürbar steigen. Organisationen wie GAVI kommt das zugute. Die Allianz sei darauf angewiesen, was der Markt biete und müsse derzeit sehr um Preisnachlässe kämpfen, sagt Schwalbe. Bis billigere Immunisierungen erhältlich sind, sieht sich GAVI in einem Wettlauf gegen die Zeit. "Wir müssen jetzt Impfstoffe kaufen, um jetzt das Leben von Kindern zu retten. Wir können nicht warten." (dapd)
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