Essen. . Wer privat krankenversichert ist, muss sich auf eine deutliche Beitragserhöhung einstellen. In einigen Tarifen steigen die Versicherungsprämien um bis zu 40 Prozent. Doch als Versicherter ist man nicht vollkommen machtlos. So können Sie sich gegen Tariferhöhungen wehren.
Die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland ist hinlänglich beschrieben. Sie meint eine Bevorzugung der Privatversicherten. Doch einmal im Jahr, so gegen Ende November, tritt auch die Kehrseite offen zu Tage – in Form der Beitragserhöhungen für das kommende Jahr. Auch 2012 müssen viele der knapp neun Millionen Privatversicherten teils deutlich draufzahlen. Die Spanne ist riesig: Die einen zahlen keinen Cent, die anderen ein paar Euro und wer Pech hat, auch mal mehrere hundert Euro mehr im Monat. Doch das muss der einzelne Versicherte nicht hinnehmen.
Einzelne Tarife steigen um bis zu 40 Prozent
Die durchschnittlichen Anpassungen in der Privaten Krankenversicherung (PKV) klingen noch erträglich: Die Arag erhöht um 6,5 Prozent, Debeka um 3,6 Prozent, die DKV im Schnitt um 2,2 Prozent, Axa um 2,0 Prozent, Signal Iduna um 1,0 Prozent. Doch für den einzelnen Versicherten sind Durchschnittszahlen uninteressant. Es gibt tausende Tarifgruppen in der PKV und jede muss sich selbst tragen. So kommt es in Einzelfällen immer wieder zu horrenden Erhöhungen – die Central-Versicherung etwa erhöht im Schnitt um 12,9 Prozent, einzelne Tarife aber um bis zu 40 Prozent. Das kann für Versicherte, die nicht selten 600, 700 Euro und mehr zahlen, Aufschläge von 200 bis 300 Euro im Monat bedeuten, die sie schnell überfordern.
Betroffen sind oft ältere Versicherte in Tarifen, die ihre Versicherung nicht mehr anbietet. Die Folge: Weil keine jungen, gesunden Kunden hinzukommen, steigen für die älteren die Kosten. Zwar schießt ihre Versicherung Altersrückstellungen zu, doch die gleichen die auch durch den Fortschritt steigenden Rechnungen oft nicht aus. „Ein solcher geschlossener Tarif kann den Versicherten um die Ohren fliegen“, sagt Diana Boss vom Bund der Versicherten (BdV).
Tarifwechsel steht allen Versicherten offen
Sie gibt dafür den Versicherungen die Schuld, die immer neue Lockangebote auf den Markt brächten. Doch auch Neukunden können böse Überraschungen erleben: So bekommen die Arag, Central und Hanse-Merkur Probleme mit ihren Billigtarifen. Die jungen Neukunden gehen doch häufiger in die Klinik als erwartet und zahlen zudem nicht immer ihre Beiträge. Die Arag musste ihre Einsteiger-Tarife um bis zu 30 Prozent erhöhen. Manch’ Konkurrent stampft deshalb seine Billigtarife bereits wieder ein.
Wer steigenden Beiträgen aus dem Weg gehen will, hat das Recht, innerhalb seiner Versicherung in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Dabei nimmt er seine Altersrückstellungen mit. Doch so leicht ist das nicht. „Als Einzelner hat man es schwer. Oft reagiert der Versicherer nicht, behauptet, es gäbe keinen vergleichbaren Tarif und lässt wechselwillige Kunden aushungern“, sagt BdV-Expertin Diana Boss. Oft würden die Versicherer auch anbieten, die Selbstbeteiligung zu erhöhen. „Das sollten gerade ältere Menschen, die häufiger zum Arzt gehen, auf keinen Fall tun“, rät Boss.
Konzerne weisen Vorwürfe strikt zurück
Die meisten Konzerne weisen solche Vorwürfe strikt von sich. Andere gehen offensiver damit um. So sagt DKV-Sprecherin Sybille Schneider: „Nach den relativ hohen Anpassungen zu Beginn dieses Jahres hatten wir viele Wechselanträge. Dabei konnten wir unseren Kunden nicht den Service bieten, den sie erwartet haben. Das ändern wir gerade und versenden Wechselangebote in der Regel binnen zwei bis vier Wochen.“
Wenn viele aus einem gerade teurer gewordenen Tarif rausgehen, kann das natürlich Rückwirkungen auf die Verbliebenen haben. „Starke Bewegungen im Bestand können dazu führen, dass die Leistungsausgaben in bestimmten Tarifen überdurchschnittlich ansteigen“, sagt Schneider.
Dass sich jeder Tarif selbst tragen muss, ist vom Gesetzgeber so gewollt. Eine weitere Vorgabe verstärkt die Gefahr von Beitragsexplosionen: Steigen die Kosten um weniger als fünf Prozent, darf der Tarif nicht erhöht werden. „Wenn die Kosten dann über mehrere Jahre um drei bis vier Prozent steigen, irgendwann aber über fünf Prozent, muss das alles in einem Jahr nachgeholt werden“, erklärt Continentale-Sprecher Bernd Goletz.