Berlin. . Vor allem junge Mädchen verlieren beim Surfen in sozialen Netzwerken leicht den Kontakt zur realen Welt. Eine Studie der Drogen-Beauftragten der Bundesregierung geht davon aus, dass 4,9 Prozent der 14- bis 16-Jährigen bereits internet-süchtig sind.

Mechthild Dyckmans (FDP) hat einen Arbeitsschwerpunkt für 2012 gefunden. Die Drogen-Beauftragte der Regierung will sich verstärkt um die Computer- und Onlineabhängigkeit kümmern. Denn inzwischen ist ein Prozent der Bevölkerung – 560 000 Menschen – zwischen 14 und 64 Jahren internetsüchtig. Dies geht aus einer Studie zur Onlinesucht hervor, die Dyckmans am Montag in Berlin vorgestellt hat.

Demnach gibt es heute bereits so viele Menschen, die zwanghaft im Internet sind, wie regelmäßige Cannabis-Konsumenten. Tendenz steigend, denn weitere 4,6 Prozent – 2,5 Millionen Deutsche – haben laut Studie eine „problematische“ Internetnutzung.

Bis heute liegt noch keine allgemein gültige Definition vor, ab wann jemand onlinesüchtig ist. Wohl aber gibt es Merkmale, die auf einen unguten Onlinekonsum hindeuten. Treffen mehrere Punkte bei einer Person zu, spricht die Studie von Abhängigkeit.

Entzugserscheinungen

Demnach leben Betroffene fast nur noch in der virtuellen Welt. Sie verlieren die Kontrolle über die Zeit am PC und leiden unter Entzugserscheinungen, wenn sie nicht online sind. Diese können sich in Form von schlechter Laune, Angst, Reizbarkeit oder Langeweile ausdrücken. In schlimmen Fällen gehen die Internetabhängigen nicht mehr zur Arbeit oder zur Schule und verwahrlosen zum Teil sogar körperlich. Laut Studienleiter Hans-Jürgen Rumpf waren Süchtige täglich mindestens vier Stunden im Netz, jene mit problematischer Onlinenutzung drei Stunden.

Jungs verbringen mehr Zeit mit Rollenspielen

Dabei sollen vor allem Mädchen die Finger nicht vom PC lassen können. 4,9 Prozent der 14- bis 16-Jährigen gelten als abhängig, 3,1 Prozent der gleichaltrigen Jungs. 17,2 beziehungsweise 13,7 Prozent sind bedenklich oft im Netz. Dabei nutzen mehr als drei Viertel der Mädchen in erster Linie soziale Netzwerke und nur sieben Prozent von ihnen Onlinespiele. Bei den Jungen sind zwei Drittel vor allem in Facebook und Co. unterwegs. Ein Drittel widmet sich lieber Rollenspielen. Rumpf vermutet, dass Mädchen besonders empfänglich für Bestätigung aus den Netzwerken sind. Dadurch könnten sie auch leichter abhängig werden. Mit zunehmendem Alter steigt das Suchtrisiko bei Männern. So sind von den 14- bis 24-Jährigen bei beiden Geschlechtern je 2,4 Prozent abhängig. Unter den 14- bis 64-Jährigen sind nur 0,8 Prozent der Frauen süchtig und 1,2 Prozent der Männer.

Im Kampf gegen die Abhängigkeit setzt Dyckmans auf Prävention – durch Infobroschüren der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung. Sie fordert zudem einheitliche Diagnose- und Behandlungsleitlinien. Bei einer Therapie, so Rumpf, müssten Betroffene wieder einen maßvollen Umgang mit dem Internet lernen. Ein absolutes Online-Verbot hält er für nicht machbar, weil Computer auch zur Arbeit gebraucht werden.

Verbote helfen nicht

Zudem will Dyckmans darauf hinwirken, dass besonders suchtgefährdende Spiele eine höhere Altersbewertung bekommen. Davon hält die Opposition aber nichts: „Am Ende kann man nicht kontrollieren, ob Jugendliche solche Spiele nicht doch bekommen“, sagte SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann der WAZ. Mit Verboten könne man Internetabhängigkeit nicht erfolgreich bekämpfen, sagte der drogenpolitische Sprecher der Linken, Frank Tempel.

Dyckmans muss hier auch mit Widerstand der Spielebranche rechnen. Nicht umsonst sagte sie: „Das wird kein ganz leichter Weg, aber ich glaube, er ist notwendig.“