Die Mainzer Universitätsklinik hat die erste Ambulanz in Deutschland eröffnet, die sich mit den Problemen der Internet- und Computerspielsucht beschäftigt. Die Behandlung soll Betroffenen direkt helfen und packt das Problem am Schopf.

Angesiedelt ist die neue Ambulanz unter Leitung von Prof. Dr. Manfred E. Beutel und Dipl.-Psych. Klaus Wölfling an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Internetsucht wird besonders mit Computerspielen in Verbindung gebracht. Die so genannten „MMOs“ (Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiele) gelten als Beispiel für die Gefahren, aus der Realität zu entschwinden. Sie geben dem Spieler das durchaus reale Gefühl, mit anderen Menschen zu agieren. Ein Gruppengefühl entsteht und eine Zusammengehörigkeit, die der Spieler in der „Welt auf der anderen Seite des Fensters“ so oft nicht kennt. Ansehen und vermeintliche Macht spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. In Extremfällen spielt der „süchtige Spieler“ nicht weniger als zehn Stunden am Tag, vernachlässigt soziale Kontakte in der „realen Welt“ und das Leistungsvermögen in Beruf oder Schule lassen nach.

Bedarf für Beratung stark angestiegen

Prof. Manfred Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Prof. Manfred Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. © WE

„In den letzten Jahren ist der Bedarf an Beratung und psychotherapeutischen Interventionen bei Betroffenen mit exzessivem bzw. süchtigem Computerspielverhalten im Kindes- und Jugendalter sowie bei jungen Erwachsenen stark angestiegen“, warnt Diplom-Psychologe Klaus Wölfling, psychologischer Leiter der neuen Ambulanz. „In diesem Zusammenhang deuten verschiedene wissenschaftliche Studien unserer Forschungsgruppe zum Symptomkomplex ‚Computerspielsucht’ darauf hin, dass etwa sechs bis neun Prozent der untersuchten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aktiv am Computer spielen, die Kriterien einer Abhängigkeit in Bezug auf ihr Computerspielverhalten erfüllen." Allerdings sind Onlinespieler im Vergleich zum Internetsüchtigen eher in der Minderheit.

Tatsächlich verbringen immer mehr Menschen immer mehr Zeit im World Wide Web: Auf der Arbeit, zu Hause, unterwegs oder bei Freunden. „Ich check mal eben die E-Mails“ oder „lass uns heute Abend mal chatten“ - mittlerweile alles gängige Alltagssätz. Wo fängt also die Sucht an?

„In unserer täglichen Arbeit häufen sich Anfragen hinsichtlich der exzessiven und inadäquaten Nutzung moderner Medien vor allem im Kinder- und Jugendbereich“, unterstreicht Prof. Manfred Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin. So bestehe trotz steigender Fallzahlen in der medizinischen Versorgung und in den Anlaufstellen der Suchtkrankenhilfe aktuell ein Versorgungsdefizit für Patienten mit suchtartigem Computerspielverhalten.

Konzept mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie

Das soll sich nun durch das Modellprojekt ändern. Die Ambulanz bietet Gruppentherapien für Computerspiel- und Internetsucht für Jugendliche sowie junge Erwachsene an. Dazu wird bei der ambulanten Behandlung ein Therapiekonzept mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie zum Einsatz kommen. Die Betroffenen sollen schrittweise dazu gebracht werden, ihre Sucht und die daraus entstehenden Probleme als solche zu erkennen und aus eigener Kraft zu überwinden. Darüber hinaus wird im Rahmen der Eröffnung der Ambulanz für Spielsucht eine ambulante Gruppentherapie für das Störungsbild Pathologisches Glücksspiel bei Erwachsenen angeboten, die als reguläre Einrichtung allen Betroffenen offen steht. Die Teilnehmer sollen sich weiterhin mit ihrer Sucht auseinander setzen und werden daher nach den Sitzungen in ihren Alltag entlassen.