Bochum. Viel zu oft werden Krankheiten wie Syphilis oder Tripper unterschätzt und der Gang zum Arzt wird vermieden - meist auch aus Scham. Um dem entgegenzuwirken, setzt sich ein Bochumer HIV-Forscher für die Errichtung so genannter Fachzentren ein.

Sexuell übertragbare Krankheiten sind in Deutschland vermutlich keine Seltenheit. Doch statistisch werden fast nur HIV- und Syphilis-Infektionen registriert, der Rest lässt sich nur schätzen. Der Nachteil an solchen Dunkelziffern ist, dass sie auch für mangelnde Aufklärung und Information in diesem Bereich stehen. Laut des HIV-Forschers und Mediziners der Ruhr-Universität Bochum, Professor Norbert Brockmeyer, ist die Bereitschaft, sich auf sexuell übertragbare Infektionen untersuchen zu lassen, immer noch mit einer hohen Hemmschwelle verbunden. Dabei wäre es sinnvoll, denn nach Ansicht des Experten sind die rund 70 000 Patienten mit HIV und jährlich circa 3 000 Syphilis-Betroffenen in Deutschland nur die Spitze des Eisberges.

Schlimme Spätfolgen

Neben HIV und Syphilis gibt es noch Gonorrhöe (Tripper), Herpes, Genitalwarzen oder Chlamydien, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden und unbehandelt auch Jahre später Schaden anrichten können. So bleiben Schätzungen zufolge mehr als 100 000 Frauen in Deutschland durch unbehandelte Chlamydieninfektionen ungewollt kinderlos. Gleiches gilt für Hepatitis- und Humane Papillomvirus-Infektionen (HPV), die Leberschäden, Gebärmutterhalskrebs und weitere Tumore hervorrufen können. Mit der Impfung gegen Hepatitis B und gegen HPV ließe sich in diesen Fällen die Entstehung schwerwiegender Krankheiten laut Brockmeyer deutlich senken.

Herausforderung für Gesundheitssystem

Menschen mit sexuell übertragbaren Infektionen und Krankheiten (STI/D - sexually transmitted infections/diseases) stellen aufgrund der epidemischen Verbreitung eine zunehmende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Hinzu kommt, dass bislang sexuelle Gesundheit als eigenständiger Bereich in der Gesundheitsversorgung hierzulande nicht existiert. 'Was wir brauchen, sind regionale Fachzentren, in denen umfassend informiert, diagnostiziert und behandelt wird', meint Brockmeyer, der bereits 2009 das 'Zentrum für Sexuelle Gesundheit' an der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität gegründet hat.

In einem ganzheitlichen Konzept geht es hier um alle Aspekte, die zur sexuellen Gesundheit gehören. Dazu zählen unter anderen eine befriedigend gelebte Sexualität, Offenheit für die individuelle sexuelle Orientierung, Schwangerschaftsberatung und ebenso Hilfe bei sexueller Gewalt oder bei Gesundheitsgefährdungen durch Infektionen.

Solche und andere neue Wege, um sexuelle übertragbare Krankheiten in den Griff zu bekommen, diskutieren derzeit Fachleute auf dem Jahreskongress der Deutschen STD-Gesellschaft. Die Veranstaltung richtet sich aber nicht nur an Experten, sondern ist an alle adressiert, die sich für ein neues STI-Zukunftsmodell interessieren (www.dstdg.de). (mp)