Düsseldorf/Oftersheim. Wenn beim Zahnarzt Spritze und Bohrer drohen, haben viele Patienten Angst. Doch statt die Behandlung zu verweigern, können sie sich helfen lassen und lernen, mit ihrer Angst umzugehen. Akupunktur, Hypnose und Psychotherapie können Abhilfe schaffen.
Der Kopf weiß: Wird das Loch im Zahn nicht behandelt, werden die Schmerzen schlimmer. Der Bauch aber signalisiert: "Nein - da gehe ich nicht hin!!!" Millionen Menschen in Deutschland fürchten sich vor dem Zahnarztbesuch, berichtet der auf Angsttherapie spezialisierte Psychologe und Psychotherapeut Stefan Junker aus Oftersheim. Aus seiner täglichen Erfahrung weiß er, dass viele mit der Vorstellung kämpfen, einen Bohrer am Zahn oder eine spitze Nadel im Zahnfleisch zu spüren oder gar würgen zu müssen. Deshalb betont er zwei Dinge: "Erstens: Betroffene sind in guter Gesellschaft, denn es geht vielen so. Zweitens: Es geht auch anders!"
Zunächst einmal empfiehlt der Psychologe, sich selbst als Kunden und die Ärztin oder den Arzt als Dienstleister zu betrachten und selbstbewusst mit dem Problem umzugehen: "Fragen Sie ruhig schon bei der Anmeldung "Behandeln Sie auch Angstpatienten?" Das verbessert die Aussichten auf eine behutsame Betreuung - oder Sie bekommen zumindest eine geeignetere Praxis genant." Man könne auch mit einem reinen Beratungstermin starten, um sich mit der Situation im Behandlungsraum vertraut zu machen: "Schließlich ist die ärztliche Beratung ein Kernbestandteil der Behandlung und auch eine Kassenleistung."
Ohrakupunktur gegen mulmiges Gefühl
Das bestätigt auch Angelika Brandl-Naceta, Vorstandmitglied des Deutschen Zahnärzteverbandes. Die Düsseldorfer Zahnärztin ist in Hypnose und Entspannungstechniken geschult und behandelt häufig Angstpatienten. Am wichtigsten sei die Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient, betont sie. "Dazu gehört auch, dass ich dem Patienten gestatte zu gehen, wann immer er möchte, und dass ich ihm ehrlich sage, ob ein Behandlungsschritt wehtun wird oder nicht - und nicht "zur Beruhigung" etwas verschweige." Viele Menschen verlören allein dadurch schon etwas von ihrem Misstrauen und von ihrer Angst, ausgeliefert zu sein.
Die Angst vorm Zahnarzt
Patienten mit einem mulmigen Gefühl im Magen hilft Brandl-Naceta in der Regel mit einer Ohrakupunktur: "Das entspannt und wirkt schmerzlindernd." Wem auch die Vorstellung piekender Nadeln Angst einjagt, für den biete sich eine Laser-Akupunktur als Alternative an. Eine Magnetfeldtherapie des oberen Bauchbereichs wirke ähnlich entspannend: "Dabei beruhigen elektromagnetische Impulse den Bauch und damit den Entstehungsort des "mulmigen Gefühls"."
Hypnose bei schlimmen Ängsten
Bei schweren Ängsten greift nach Brandl-Nacetas Erfahrung nur noch die Hypnose. In einer ersten Sitzung, der sogenannten "Leerhypnose", zeigt die Ärztin ihren Patienten, wie sie sich mit Hilfe von Musik und einiger von ihr auf Tonband gesprochener Schlüsselworte in eine Art gesteuerten Tagtraum versetzen können. Ein bis zwei Wochen üben sie diese Technik dann etwa zwanzig Minuten täglich. "Danach sind sie meist so weit, dass die Behandlung in diesem Trancezustand stattfinden kann."
Bis zu fünf Stunden hätten Patienten schon mit offenem Mund auf ihrem Stuhl verbracht, berichtet die Hypnosespezialistin. "Während dieser Zeit legt eine Assistentin dem Patienten die Hand auf die Schulter, ich selbst spreche beruhigend auf ihn ein und verwende die gelernten Schlüsselworte." Bei Menschen, die beispielsweise wegen Herzproblemen keine Betäubungsmittel bekommen dürften, könne sie auf diese Art sogar Schmerzfreiheit suggerieren. Ein weiterer Vorteil dieser Hypnosetechnik, die ähnlich wie autogenes Training wirke, sei, dass sie auch in ganz anderen Spannungssituationen helfe: "Ich selbst versetze mich bei Bedarf auch in diesen Trancezustand - zum Beispiel wenn ich mich im Flugzeug vor Turbulenzen fürchte, oder vor schwierigen Gesprächen."
Bei Phobie hilft Verhaltenstherapie
Auch Kinder seien sehr offen für Hypnose in Form von angeleiteten "Fantasiereisen". Allerdings sei die Methode für sie in der Regel gar nicht nötig. "Bei ihnen hilft es meist schon, wenn ich spielerisch vorgehe, zum Beispiel mit Handpuppen, wenn ich ihre Bedenken ernst nehme und für die nötigen Eingriffe um Erlaubnis bitte."
Auch Psychotherapeut Junker trainiert mit kleinen und großen Patienten erfolgreich Praxisbesuche, Beruhigungstechniken und die Kommunikation mit dem Arzt. "Handelt es sich aber um eine ausgewachsene Phobie, kommt man mit den genannten Tipps allein nicht weiter und sollte sich nicht scheuen, psychotherapeutische Hilfe in Form einer Verhaltenstherapie oder auch Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. (dapd)