Hannover/Bienenbüttel. . Nach dem Ausbruch der Ehec-Erkrankungswelle Mitte Mai gewinnen die Behörden zunehmend Gewissheit über Ursache und Verbreitungsweg: Der geschlossene Biohof in Bienenbüttel hatte Ehec-infizierten Bockshornklee-Samen aus Ägypten für Sprossen bezogen.
Zur Herstellung von Sprossen benutzte Bockshornkleesamen sind höchstwahrscheinlich Ursache für die EHEC-Epidemie in Deutschland. Davon geht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Erklärung aus. Die aus Ägypten stammenden Samen gingen demnach über einen Zwischenhändler an den Sprossenbetrieb in Niedersachsen, der als Ausgangspunkt für die Erkrankungswelle gilt.
Zur Sprossenherstellung verwendete Bockshornkleesamen seien "mit großer Wahrscheinlichkeit Ursache des Ausbruchs", erklärte das BfR. Zuvor hatte bereits die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgrund von Untersuchungen der Erkrankungswelle in Deutschland und eines jüngst aufgetretenen EHEC-Ausbruchs in Frankreich auf eine Verbindung zu aus Ägypten stammenden Samen hingewiesen. Laut BfR sind der deutsche und der französische Ausbruchsstamm "mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch".
Die in Frankreich erkrankten Menschen sollen dem BfR zufolge Sprossen gegessen haben, die aus einer Samenmischung durch eigene Anzucht produziert wurden. Bockshornkleesprossen waren demnach die einzigen Sprossen, die sich sowohl in der französischen Mischung als auch in Sprossenmischungen des Betriebes im niedersächsischen Bienenbüttel fanden. Zudem seien in einem niedersächsischen Haushalt mehrere Menschen nach dem Verzehr von selbstgezogenen Sprossen aus einer Samenmischung erkrankt, in der unter anderem Bockshornkleesamen enthalten gewesen seien.
Ermittlungen der Gesundheitsbehörden ergaben, dass aus Ägypten bezogene Samen über einen Zwischenhändler nach Frankreich und auch an den Betrieb in Niedersachsen gingen. Bei dem Sprossenhersteller in Bienenbüttel konnte die entsprechende Charge aber nicht mehr untersucht werden, weil sie bereits verbraucht war. In dem Betrieb wurden im Frühjahr 2011 über den Zwischenhändler bezogene Bockshornkleesamen zur Sprossenproduktion eingesetzt.
Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse werde deutlich, dass Bockshornkleesamen dieser Herkunft "eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen", erklärte das BfR. Es könne dennoch derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Samenarten kontaminiert worden seien. Das BfR rät Verbrauchern weiterhin, auf den Verzehr von rohen Sprossen zu verzichten.
Das ägyptische Agrarministerium wies die Vorwürfe unterdessen zurück. Die Behauptungen, dass ägyptische Bockshornkleesamen bei den EHEC-Ausbrüchen eine Rolle gespielt hätten, seien "völlig unwahr", sagte der Chef einer zuständigen Behörde des Ministeriums, Ali Suleiman, der ägyptischen Nachrichtenagentur Mena. Die Präsenz des Keims in Ägypten sei nicht bewiesen und nicht dokumentiert.
An dem lebensbedrohlichen Darmkeim EHEC waren in Deutschland in den vergangenen Wochen tausende Menschen erkrankt. Mindestens 48 Patienten starben nach einer Infektion. (afp)