Berlin. .

Mit massiven Folgeschäden für die Ehec-Patienten rechnet SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach laut Medienberichten. Demnach müssten einige Erkrankte lebenslang zur Dialyse oder benötigten ein Spenderorgan. Zudem befürchtet er weitere Ehec-Ausbrüche.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erwartet massive Folgeschäden für Ehec-Erkrankte. „Etwa 100 Patienten sind so stark nierengeschädigt, dass sie ein Spenderorgan brauchen oder lebenslang zur Dauerdialyse müssen“, sagte Lauterbach der „Bild am Sonntag“. Der Seuchenforscher warnte zudem vor weiteren Infektionswellen in Deutschland: „Ehec-Erreger sind weltweit auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland wird es künftig immer wieder zu Ehec-Ausbrüchen kommen.“

Den Meldeweg von Ehec-Erkrankungen per Post sieht Lauterbach als eine Ursache für die starke Ausbreitung der Krankheit an und kündigte eine Untersuchung im Gesundheitsausschuss an. „Die Kliniken müssen in Zukunft jeden Ehec-Fall direkt per Mail an das Robert-Koch-Institut melden“, forderte er.

Die bisherige Meldekette vom Gesundheitsamt vor Ort über das Landesgesundheitsamt an das Robert-Koch-Institut dauere mindestens eine Woche. „Viel zu lang, da breitet sich der Ehec-Erreger aus. Wir werden im Gesundheitsausschuss untersuchen, wie viele Erkrankungen durch eine elektronische Meldepflicht hätten verhindert werden können.“

Quelle für EHEC identifiziert - Bundesinstitut bestätigt Fund an Sprossen

Derweil ist bei der tödlichen Ehec-Welle erstmals eine wesentliche Infektionsquelle identifiziert worden. Der Darmkeim an den Sprossen des Biohofes in Bienenbüttel ist vom gleichen Typ O104 wie der Erreger, der bei erkrankten Menschen gefunden wurde, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mitteilte. Es bestätigte damit frühere Laborbefunde aus Nordrhein-Westfalen, wo die untersuchten Sprossen gefunden worden waren. EU-Gesundheitskommissar John Dalli sprach von einem Durchbruch.

„Dieses labordiagnostische Ergebnis ist ein weiterer Stein in der Beweiskette, dass rohe Sprossen als wesentliche Quelle für die Ehec-Infektionen der letzten Wochen anzusehen sind“, sagte BfR-Präsident Andreas Hensel in Berlin. Dem Bundesinstitut zufolge „ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Ehec-Ausbruch mit schweren Erkrankungen und Todesfällen insbesondere auf den Verzehr von rohen Sprossen zurückzuführen ist“.

Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Sprossen aus einer geöffneten Packung stammten. Die Sämlinge waren in der Mülltonne einer Familie aus Königswinter gefunden worden, in der zwei Frauen an Ehec erkrankt waren. Das BfR wies darauf hin, dass bereits epidemiologische Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) eine enge Verbindung zwischen Ehec-Patienten und dem Verzehr von rohen Sprossen aus dem niedersächsischen Gartenbaubetrieb ergeben hatten.

EU-Kommissar sieht Vertrauen wiederhergestellt

EU-Kommissar Dalli sprach in Brüssel von einer „extrem wichtigen Entwicklung“. Die Quelle der Verunreinigungen sei nun identifiziert, und die Erkenntnisse seien durch Laborergebnisse gestützt. Konsumenten in und Handelspartner der Europäischen Union könnten nun volles Vertrauen bezüglich der Sicherheit von Gemüse aus der EU haben. Die Europäische Kommission erhofft sich von dem bestätigten Laborfund eine rasche Aufhebung des von Russland wegen der Ehec-Krise verhängten Einfuhrverbots für europäisches Gemüse.

Epidemiologen werden laut der Europäischen Kommission weiter die Verbindungen zwischen Ehec-Patienten und dem Sprossenzuchtbetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel untersuchen. Dabei solle auch geklärt werden, wie der für den Ausbruch verantwortliche Bakterienstamm in die Nahrungskette gelangen konnte.

Bei dieser Frage würden die Behörden noch im Dunkeln tappen, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) dem WDR. Auch sei unklar, wo die verunreinigten Sprossen gekauft wurden. Mutter und Tochter der betroffenen Familie seien so schwer erkrankt, dass sie derzeit nicht befragt werden könnten.

Stärkere Kontrolle für Sprossenzüchter

Unterdessen geraten durch den Ehec-Fund bundesweit Züchter von Sprossen ins Visier der Behörden. „Wir werden gemeinsam mit den Ländern eine Erhöhung der Kontrollfrequenz prüfen“, sagte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ laut Vorabbericht. In den Betrieben müsse vor allem stärker auf Hygiene geachtet werden. Ihr Ministerium rief die Länderbehörden auf, bundesweit schwerpunktmäßig Produzenten und Importeure von Sprossen und deren Produkte zu überprüfen.

Am Freitag war der für die aktuelle Erkrankungswelle verantwortliche Ehec-Typ in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen worden. Der Betrieb in Bienenbüttel darf keine Produkte mehr verkaufen. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) hatte dem Hof allerdings in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ hohe Hygienestandards bescheinigt und verunreinigtes Saatgut oder einen erkrankten Mitarbeiter als mögliche Infektionsquelle genannt. Im Zusammenhang mit dem gefährlichen Darmkeim sind mittlerweile bundesweit 32 Menschen gestorben.

Behörden gehen derzeit auch Hinweisen auf eine Ehec-Übertragung von Mensch zu Mensch nach. Bei einem aktuellen fünften Ehec-Fall in den USA wird vermutet, dass sich der Patient bei einem nach einem Deutschlandbesuch erkrankten Verwandten angesteckt hat. (dapd)