Berlin. .

Nach der Entdeckung des gefährlichen Darmkeims Ehec in einer Packung Sprossen in Königswinter bei Bonn rätseln die Behörden, wie das Bakterium dorthin kommen konnte. Die genaue Lieferkette zwischen dem Herstellerbetrieb in Niedersachsen und den Verbrauchern sei noch nicht geklärt, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Samstag in einem WDR-5-Interview.

"Wo diese Tüte gekauft worden ist, wie sie nach Königswinter gelangt ist, darüber wissen wird zurzeit nichts, weil die beiden, die wir fragen könnten, so schwer erkrankt sind, dass sie zurzeit nicht befragbar sind", sagte der Minister. Auch sei nach wie vor unklar, wie der Ehec-Erreger auf die Sprossen kam. "Da tappen wir im Dunkeln", sagte Remmel. Es sei offen, ob er von Menschen übertragen worden sei oder aus dem tierischen Bereich stamme. Frühere Aussagen von Experten hatten darauf hingedeutet, dass der Darmkeim unter anderem durch Gülle, die auf Feldern verteilt wird, auf Lebensmittel gelangen könnte.

Der Bio-Betrieb in Bienenbüttel muss nach der Entdeckung des lebensgefährlichen Ehec-Erregers auf seinen Sprossen wohl nicht mit einem rechtlichen Nachspiel rechnen. „Nach allen bisherigen Erkenntnissen wurde auf dem Betrieb nichts falsch gemacht“, sagte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann der „Rhein-Neckar-Zeitung“ zur Begründung. Der Hof habe hohe Hygienestandards und sei bisher nicht negativ aufgefallen. Sein Sprecher Gert Hahne ergänzte am Samstag, nach allen Erkenntnissen des Ministeriums führe der Inhaber seinen Betrieb einwandfrei und habe sich an alle Vorschriften gehalten. „Man kann niemanden bestrafen, weil er einfach Pech hatte“, sagte Hahne zur Nachrichtenagentur Reuters.

Institut bestätigt Sprossen als Ehec-Quelle

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigte indes, dass rohe Sprossen eine Quelle des aggressiven Darmkeims EHEC sind. Wissenschaftler des BfR hätten den EHEC-Typ 0104 auf den Sprossen nachgewiesen, die in der Mülltonne einer Familie im Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen gefunden worden waren. Zwei der drei Familienmitglieder waren Mitte Mai an EHEC erkrankt. Forscher des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Rhein-Ruhr-Wupper hatten den Keim am Freitag erstmals erstmals auf Sprossen nachgewiesen. Es blieb nach Angaben des Düsseldorfer Verbraucherschutzministeriums aber "ein Rest an Unsicherheit", da nur eine geöffnete und keine geschlossene Sprossen-Packung untersucht wurde. Daher nahm das BfR ergänzende Untersuchungen vor, deren Ergebnis es nun vorlegte. Dieses Labor-Ergebnis sei ein weiterer wichtiger Stein in der Beweiskette, dass rohe Sprossen als wesentliche Quelle für die EHEC-Infektionen der letzten Wochen anzusehen sind, erklärte das Bundesverbraucherschutzministerium in Berlin. Wie die Keime auf die Sprossen kamen, ist weiter unklar. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr schloss einen Anschlag aus. „Die Sicherheitsbehörden haben dafür nicht den geringsten Hinweis. Zudem sagen uns Fachleute, dass auch die Struktur des Erregers gegen eine Laborzüchtung spricht“, sagte der Minister der „Bild am Sonntag“.

Verzehrwarnung aufgehoben

Schon vor dem Nachweis hatten die Behörden aufgrund von Indizien die Sprossen als die Ehec-Träger ausgemacht und die seit mehr als zwei Wochen bestehende Verzehrwarnung für Gurken, Tomaten und Salat aufgehoben. EU-Agrarkommissar Dacia Ciolos sagte, er hoffe, dass sich der Markt nach der Teil-Entwarnung vom Freitag wieder schnell erhole. „Das ist ein klares Signal für die Verbraucher, auf der Grundlage von wissenschaftlichem Sachverstand, dass sie diese Produkte wieder ohne Bedenken essen und genießen können“, sagte Ciolos der „Passauer Neuen Presse“.

Auch wenn die Epidemie ihren Höhepunkt wohl überschritten habe, seien weitere Todesfälle nicht auszuschließen, sagte Bahr. Ein Wiederaufflammen der Seuche nannte der Minister aber „sehr unwahrscheinlich“. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland 30 Menschen an Ehec oder der schweren Komplikation HUS gestorben. In NRW sind seit dem 1. Mai 366 Ehec-Fälle gemeldet worden, davon sind 84 Personen schwer am HUS (hämolytisch urämisches Syndrom) erkrankt. Zum Vergleich der Stand von Freitag, 10. Juni: 359 gemeldete Ehec-Fälle, davon 82 Personen schwer erkrankt. (rtr/dapd)