Essen/Bienenbüttel. . Drei Wochen nach dem Ausbruch der Ehec-Welle ist erstmals der Nachweis erbracht, dass sich der Erreger über Sprossen verbreitet hat. Experten eines Labors in NRW haben an einer Sprossen-Probe aus Niedersachsen Ehec-Bakterien entdeckt.
Auf der Suche nach dem Ursprung des gefährlichen Durchfall-Erregers Ehec haben Experten in NRW am Freitag einen wichtigen Erfolg erreicht. Sieben Tage nachdem ein niedersächsischer Biohof in den Verdacht geraten war, dass die Ehec-Welle von dort bundesweit verbreitet worden ist, wurden jetzt tatsächlich erstmals Ehec-Bakterien an Sprossen dieses Betriebs gefunden. Wie das NRW-Verbraucherministerium am Nachmittag erklärte, handele es sich dabei auch um den Serotyp O104:H4, der besonders schwere Durchfall-Erkrankungen verursacht.
Die Sprossen hätten sich in einer bereits geöffnete Packung befunden, die man in der Mülltonne einer erkrankten Familie im Rhein-Sieg-Kreis gefunden hatte, teilte das Ministerium mit. Die Sprossen stammen nach den bisherigen Erkenntnissen aus dem Betrieb im niedersächsischen Bienenbüttel. "Damit ist erstmalig eine ununterbrochene Kette mit dem Erreger O104 infizierten Sprossen aus dem Betrieb in Bienenbüttel und erkrankten Personen hergestellt".
Kein Ehec-Nachweis auf dem Biohof
Schon zuvor hatten sich die Hinweise auf den Biohof verdichtet. Von dort aus sollen mit Ehec verseuchte Sprossen ausgeliefert worden sein. Das Robert-Koch-Institut hatte am Vormittag vor dem Verzehr von Sprossen gewarnt, nachdem sich die Indizien verdichtet hatten. Die Warnung vor dem Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat wurde hingegen zurückgenommen.
Im niedersächsischen Verbraucherministerium sah man den Verdacht schon vor dem Fund in NRW bestätigt: "Die Indizienkette gibt Grund zur Gewissheit", sagte ein Sprecher. "Es fehlte bisher nur der Nachweis des Erregers auf einem der Produkte". Vor Ort konnte der Erreger jedenfalls bisher nicht nachgewiesen werden, obwohl mittlerweile alleine in dem Betrieb in Bienenbüttel 700 Proben genommen wurden - auch bei Haustieren, Luft und Trinkwasser. Einige der Proben müssen allerdings noch ausgewertet werden, sagte der Sprecher.
Lieferkette aus Bienenbüttel nährt den Ehec-Verdacht
Grundlage für die Eingrenzung auf Sprossen waren unter anderem Untersuchungen von Restaurantbesuchen, nach denen zahlreiche Menschen erkrankt waren. Eine Auswertung von Lieferketten ergaben zudem bei 26 von 55 eingegrenzten Ehec-Ausbrüchen Verbindungen zu dem niedersächsischen Betrieb.
Unklar ist jedoch, wie der Darmkeim in den Betrieb gelangt sein könnte. Drei Mitarbeiter waren im Mai an Durchfall erkrankt, einer davon nachweislich an Ehec. Es ist allerdings unklar, ob es sich dabei um den Bakterien-Stamm O104:H4 handelt, der die Welle an schweren Durchfallerkrankungen ausgelöst hat. Offen ist auch, wieso die Mitarbeiter in dem Betrieb an Durchfall erkrankt waren: Die erste Beschäftigte war am 6. Mai erkrankt, der letzte Fall wird auf den 12. Mai datiert. Die ersten Ehec-Erkrankten in Hamburg, wo die Welle ihren Anfang nahm, waren aber bereits am 1. Mai gemeldet worden.
Ehec-Erreger stammt wahrscheinlich aus dem menschlichen Darm
Unterdessen deutet sich auch bei der näheren Analyse des Ehec-Erregers ein Fortschritt an. Hygiene-Forscher am Uniklinikum Münster gehen davon aus, dass das betreffende Bakterium aus dem Menschen stammt und nicht von Tieren. "Der sich jetzt ausbreitende Erreger ist bislang nur beim Menschen nachgewiesen worden", erklärte der deutsche Ehec-Experte Prof. Helge Karch. Die jüngsten Untersuchungen hätten zudem deutlich gemacht, wie ansteckend das Ehec-Bakterium ist: "Bereits fest steht, dass der aktuelle Erreger anders als beispielsweise Salmonellen die normale Säurebarriere des menschlichen Magens überstehen kann und wahrscheinlich schon wenige Keime zur Infektion und zur Erkrankung führen können." Laut Karch wäre es "nicht das erste Mal bei einem Ehec-Bakterium", dass es wie viele anderer Krankheitserreger im Darm, über menschliche Fäkalien in die Umwelt eingetragen wird.“
Der Düsseldorfer Mikrobiologe Prof. Walter Däubener wertet diese jüngsten Erkenntnisse "als ein gutes Zeichen". Bei einer Übertragung von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektion, würde sich ein Erreger weniger verbreiten können, als etwa über Tiere - "sofern es bei einer Schmierinfektion nicht zur Vermehrung des Erregers kommt".
Weitere Untersuchungen in Biohof in Bienenbüttel
Ob tatsächlich erkrankte Beschäftigte bei der Sprossen-Produktion auf dem Hof in Bienenbüttel die Ehec-Welle ausgelöst haben, wird unterdessen weiter untersucht, heißt es im niedersächsischen Verbraucherministerium. Noch nicht geklärt sei beispielsweise inwieweit der Sprossen-Samen mit Ehec belastet gewesen war. Der Samen kam aus Deutschland, aber auch aus Asien und Südeuropa, erklärte der Ministeriums-Sprecher. Der Gartenbaubetrieb, der neben Sprossen auch anderes Gemüse vertreibt, ist mittlerweile komplett gesperrt worden, heißt es auf der Internetseite des Biohofs. Anfangs gab es nur ein mündliches Vertriebs-Verbot. Der Hof allerdings versichert, "seit Sonntag hat kein Produkt mehr unseren Betrieb verlassen". Am Freitag stieg die Zahl der Ehec-Toten in Deutschland um drei auf 32.