Hannover/Bienenbüttel. . Auf der Suche nach der Quelle des gefährlichen Durchfallerregers Ehec scheinen sich Hinweise auf den Sprossen-Anbaubetrieb in Niedersachsen zu erhärten. Eine der dort Beschäftigten war offenbar selbst an Ehec erkrankt. Erneut Verdacht bei Gurken.

Die bisherigen Tests waren negativ, doch die Gesundheitsbehörden in Niedersachsen sind überzeugt: Der Ursprung der Ehec-Epidemie ist in Niedersachsen zu suchen. Ein neuer Hinweis scheint den Verdacht zu erhärten: Drei Beschäftigte eines Sprossen-Anbaubetriebs in Bienenbüttel im Kreis Uelzen hatten Anfang Mai eine Durchfall-Erkrankung. Das bestätigte am Mittwoch ein Sprecher des niedersächsischen Verbraucherschutz-Ministeriums auf Anfrage von DerWesten.

Spur führt nach Bienenbüttel

„In einem Fall konnte Ehec nachgewiesen werden“, sagt Ministeriumssprecher Gert Hahne. Ob sich dadurch der gefährliche Erreger bundesweit verbreiten konnte „wird jetzt natürlich geprüft“, erklärte Hahne. Möglicherweise habe eine der Beschäftigen den Erreger „in den Ablauf des Betriebes eingespeist“, etwa beim Verpacken.

Weitere Erkenntnisse deuten auf die Sprossen-Spur nach Bienenbüttel hin. Nach Angaben des Ministeriums gehe das aus der Befragung von 18 Ehec-Erkrankten hervor, die in einer Kantine in Cuxhaven Sprossen aus Niedersachsen verzehrt hatten.

750 Proben genommen

In dem Betrieb in Bienenbüttel, der am Sonntag nach ersten Ehec-Hinweisen von den Behörden geschlossen worden war, sind mittlerweile 854 Proben (Stand: Mittwoch-Nachmittag) genommen worden - vom Gewächshaus bis zu Produktionshalle und Toiletten in allen Bereichen des Bio-Hofs. Einen stichhaltigen Nachweis des Erregers gebe es aber nach wie vor nicht, heißt es im Ministerium: „471 Proben sind mit negativem Ergebnis abgeschlossen“, 382 Proben werden noch analysiert "oder bedürfen weiterer Absicherung". Die bereits am Sonntag in dem Betrieb genommenen 40 Proben sind bis auf acht im Labor analysiert worden - ohne Ehec-Nachweis.

Ob die Ehec-Epidemie durch eine oder mehrere erkrankte Beschäftigte in dem Bienenbüttler Bio-Hof bundesweit ausgelöst wurde, erscheint fraglich. Laut dem Verbraucherministerium in Niedersachsen sollen die ersten Krankheitssymptome bei den drei betroffenen Mitarbeiterinnen in Bienenbüttel zwischen dem 6. und 12. Mai aufgetreten sein. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) war der früheste Erkrankungsbeginn mit Durchfall aber bereits am 1. Mai beobachtet worden, der späteste am 4. Juni. Die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruck einer durch Ehec hervorgerufenen Durchfall-Erkrankung beziffern Experten auf vier bis zehn Tage.

Die ersten Ehec-Fälle waren am 1. Mai aufgetreten

"Vom 1. bis 12. Mai lag die Fallzahl von Ehec-Infektionen zwischen 0 und 14 Fällen täglich. Danach stieg die Fallzahl kontinuierlich an, bis auf ein Maximum von 138 Fällen am 22. Mai." Aktuell sind dem RKI 2648 Ehec-Erkrankte gemeldet, darunter 689 Personen, bei denen Ehec ein akutes hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ausgelöst hat. Inzwischen, heißt es beim RKI, würde die Zahl der Ehec-Neuerkrankungen leicht zurückgehen.

Für Prof. Lothar Kreienbrock, Epidemiologe an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Mitglied im bundesweiten Forschungsverbund FBI-Zoo, der u.a. Ehec-Infektionen erforscht, ist das noch kein Indiz, dass die Ehec-Welle jetzt tatsächlich abebbt. "Solange man die Quelle des Erregers noch nicht kennt, können nach wie vor Infektionen ausgelöst werden". Ob der Erreger über erkrankte Beschäftigte des Betriebs in Bienenbüttel bundesweit in Umlauf gekommen sein könnte, sei aus Kreienbrocks Sicht nur schwer einzuschätzen.

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Ehec-Erreger an Gurken-Stück in Sachsen-Anhalt nachgewiesen

Die Forschung hat in den vergangenen drei Jahren allerdings gezeigt, wie leicht man sich mit Ehec anstecken kann. Schon das bloße Streicheln einer Kuh oder einer Ziege, etwa in einem Streichelzoo, "kann für eine sporadische Infektion ausreichen" - diese Tiere gelten, neben Schafen, als Hauptresevoir des Erregers. Wenn man, wie bei Erwachsenen häufiger, Ehec-Bakterien über Nahrung aufnimmt, reiche eine geringe Menge, heißt es auf der Internetseite des FBI-Zoo-Forschungsverbunds: "Bereits weniger als 100 Keime/Milliliter reichen aus, um eine Erkrankung hervorzurufen und nach einer Inkubationszeit von 3 – 4 Tagen kommt es schließlich zu Erkrankungssymptomen".

Unterdessen flammt der Verdacht wieder auf, der Erreger könnte durch Gurken verbreitet worden sein. Dies geht aus einer Untersuchung in Sachsen-Anhalt hervor, wie die Nachrichtenagentur dapd am Mittwoch berichtet. In der Biotonne einer an Ehec erkrankten dreiköpfigen Familie aus Magdeburg sei der betreffende Erreger vom Stamm O104:H4, wie er derzeit bundesweit grassiert, entdeckt worden und zwar an einem Gurken-Rest.

Auch in NRW werden auf der Suche nach dem Ehec-Erreger täglich neue Proben ausgewertet. Bis dato wurden laut Verbraucherministerium 827 Proben in Labors analysiert - unter anderem aus Bauernhöfen, Großküchen und Einzelhandel. Ergebnis: "Wir haben bisher keinen Hinweis auf den Erreger entdeckt", sagt ein Ministeriumssprecher. Bei den landesweit 13 Betrieben die Sprossen anbauen, verpacken, lagern oder vertreiben, sei bisher ebenfalls kein Hinweis auf den Ehec-Erreger ausgemacht worden.