Berlin. Nach Erkenntnissen der Brüsseler EU-Kommission sind immer mehr gefälschte Arzneimittel im Umlauf. 34 Millionen gefälschte Tabletten hatte die EU in zwei Monaten sichergestellt. EU-Industriekommissar Günter Verheugen sagte dazu: "Jede Fälschung von Medikamenten ist ein versuchter Massenmord."
Angesichts der Zunahme gefälschter Medikamente in der EU schlägt Industriekommissar Günter Verheugen Alarm. «Die Zahl der gefälschten Arzneimittel in Europa, die beim Patienten landen, steigt immer mehr. Die EU-Kommission ist darüber äußerst besorgt», sagte Verheugen der Zeitung «Die Welt». Es handele sich vor allem um Antibiotika, Krebs- und Malariamedikamente, cholesterinsenkende Arzneien sowie Schmerzmittel und Viagra.
«Die Europäische Union hat bei gezielten Zollkontrollen in allen Mitgliedsländern innerhalb von nur zwei Monaten allein 34 Millionen gefälschte Tabletten sichergestellt. Das hat alle Befürchtungen übertroffen.» Der Industriekommissar bezog sich offenbar auf eine konzertierte Aktion der europäischen Zollbehörden im vergangenen Jahr. Nach Prüfung aller Verdachtsfälle wurde die Zahl der Fälschungen allerdings auf 32 Millionen korrigiert, wie eine Sprecherin des zuständigen Steuerkommissars László Kovács auf Anfrage erklärte.
Medikamentenfälschungen seien ein Kapitalverbrechen, das mit aller Härte bestraft werden müsse, sagte Verheugen der «Welt». «Jede Fälschung von Medikamenten ist ein versuchter Massenmord. Selbst wenn ein Medikament nur unwirksame Stoffe enthält, kann es dazu führen, dass Menschen daran sterben, weil sie glauben, ihre Krankheit mit einem wirksamen Mittel zu behandeln.»
Siegel soll Fälschungen in Zukunft verhindern
Der Industriekommissar erwartet, dass sich die EU im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen im kommenden Jahr darauf einigen wird, «dass der Weg einer Arznei von der Herstellung bis zum Verkauf minutiös zurückverfolgt werden kann. Dazu wird es Sicherheitszeichen auf den Medikamentenpackungen geben.» Verheugen hatte vor einem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Er sieht vor, künftig alle Arzneimittelverpackungen mit einem Code und einem Sicherheitssiegel zu versehen.
Das sogenannte Pharma-Paket des Industriekommissars ist allerdings sehr umstritten, weil es am Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente rüttelt. Neben den Sicherheitsvorschriften schlug Verheugen nämlich vor, Pharma-Konzernen die Veröffentlichung von Produktinformationen über verschreibungspflichtige Medikamente in Printmedien zu gestatten. Der Industriekommissar betont stets, es gehe dabei nicht um Werbung, sondern um Information. Kritiker wie der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese dagegen sehen das Werbeverbot gefährdet, wenn die Produktinformationen allein von der Industrie herausgegeben werden.
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Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) führte die Zunahme von Fälschungen unterdessen auf mangelhafte Kontrollen von Internetversendern zurück. Der Preiskampf zwischen den Versandanbietern führe zwangsweise zu einem kaum kontrollierbaren Einkaufsverhalten bei Zwischenhändlern, erklärte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. (ddp/ap)