Bangkok. Wissenschaftler haben einen Durchbruch bei der Suche nach einem Impfstoff gegen die Immunschwächekrankheit Aids gemeldet. Der Impfstoff reduziert das Ansteckungs-Risiko um fast ein Drittel. Experten warnen dennoch vor überzogenen Erwartungen.
Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Aids-Erreger schien bislang in weiter Ferne zu liegen. Zu viele Rückschläge mussten die Forscher in den vergangenen Jahren einstecken. Bei einem Massentest in Thailand wurde nun ein Impfstoff getestet, mit dem erstmals das Risiko für eine HIV-Infektion deutlich gesenkt werden konnte. Dieser Erfolg weckt neue Hoffnungen, dass es in absehbarer Zukunft eine wirksame Waffe gegen die weltweite Seuche geben kann. Auch Aids-Experten in Deutschland sprechen von einem Schritt nach vorn, warnen aber vor überzogenen Erwartungen.
Tatsächlich hatten es viele Wissenschaftler bereits aufgegeben, eine Prognose zur Entwicklung eines HIV-Impfstoffes abzugeben. Denn immer wieder hatten Fehlschläge in den vergangenen Jahren die Hoffnungen gedämpft. So stoppte etwa das US-Pharmaunternehmen Merck 2007 die Erprobung eines zunächst erfolgversprechenden Impfstoffes gegen HIV, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Impfung nicht vor Ansteckung schützt.
Erreger extrem wandelbar
Vor allem die Vielfalt und Wandelbarkeit des Aids-Erregers macht es der Forschung so schwer. Es gibt verschiedene Subtypen des Virus mit unterschiedlichen Bauplänen und Mischtypen davon. Nach Angaben von Norbert Brockmeyer, Sprecher des bundesweiten Kompetenznetzes HIV/AIDS, wirkt der nun getestete Impfstoff nur gegen die HIV-Subtypen B und E, die in Thailand, Europa und den USA verbreitet sind. Dies gelte aber nicht für Afrika als einer der hauptbetroffenen Regionen. «Dies ist der entscheidende Punkt», sagt der Dermatologe vom Klinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Dennoch wertet Brockmeyer den Impftest als «sehr gutes Ergebnis». Er meint, dass sich «die Mühen, die in den vergangenen Jahren in die Impfstoffentwicklung hineingesteckt wurden, nun langsam auszahlen». Trotzdem bleibe die Aufklärung weiterhin die entscheidende Maßnahme gegen Aids.
Impfrisiko um 31 Prozent verringert
Bei dem weltweit größten Impftest, an dem in den vergangenen sechs Jahren mehr als 16.000 Freiwillige in Thailand teilnahmen, konnte das Infektionsrisiko nach Angaben der beteiligten Forscher um rund 31 Prozent reduziert werden. Für den Test wurden zwei alte Impfstoffe kombiniert, die zuvor einzeln wenig erfolgreich waren. Die beteiligten Wissenschaftler und Pharmaunternehmen sparten nicht mit Superlativen und sprachen am Donnerstag von einem Durchbruch und einem «wissenschaftlichen Meilenstein». Der Test gebe «Hoffnung, dass wir eines Tages einen weltweit wirksamen Impfstoff haben werden», sagte Oberst Jerome Kim vom HIV-Forschungsprogramm der US-Armee, die den Test finanziell unterstützte.
Auch die Deutsche Aidsstiftung wertet den Impftest als «entscheidenden Schritt nach vorn». «Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Test am Menschen gezeigt hat, dass Impfstoffkandidaten tatsächlich einen Schutz aufgebaut haben», sagt Geschäftsführer Ulrich Heide. Jörg Litwinschuh von der Deutschen Aids-Hilfe bleibt dagegen skeptisch. «Wir freuen uns immer über neue Forschungserkenntnisse», sagt er, fügt aber hinzu, andere «Sensationsmeldungen» hätten in der Vergangenheit auch keinen echten Durchbruch für die HIV-Impfung gebracht. Der Erfolg eines Impfstoffes muss laut Litwinschuh daran gemessen werden, ob er «massentauglich» sei.
Vollständigen Schutz gibt es nicht
"Bei einer Senkung des Infektionsrisikos um rund ein Drittel kommt ein solcher Impfstoff hauptsächlich für Länder mit einer hohen Infektionsrate in Betracht und in Deutschland nur zur Impfung von Risikogruppen», meint Brockmeyer, der auch noch weitere offene Fragen sieht. So sei nicht klar, warum der Impfstoff bei 70 Prozent der Geimpften nicht wirkt und mit welchen Änderungen am Impfstoff die Rate verbessert werden könne.
Einen vollständigen Schutz wird es nicht geben. Für die Aids-Experten wäre es freilich schon ein Erfolg, wenn die HIV-Infektion durch die Impfung insgesamt milder verliefe, sich das Virus weniger vermehrte und Geimpfte dann auch weniger ansteckend wären für Andere.