Essen. . Schadet Impfen mehr als es hilft? Der Masern-Ausbruch in Berlin heizt die Debatte übers Impfen an. Vieles müsste wohl erst noch erforscht werden.

Der Masern-Ausbruch in Berlin mit bislang 570 Erkrankten und einem toten Kleinkind hat eine Debatte über eine Impfpflicht ausgelöst, die mittlerweile europaweite Kreise zieht. Die EU-Kommission warnte gar jüngst vor der Ausbreitung der Krankheit in anderen Ländern, wovor nur höhere Impfquoten schützen könnten. Impf-Kritiker werten das als "Masern-Hysterie". Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe widerum wettert gegen eine "irrationale Angstmacherei mancher Impfgegner". Doch was treibt die an?

Auch unter Ärzten gibt es zahlreiche Impf-Kritiker, zum Beispiel 150 Mediziner, die sich in der Vereinigung "Ärzte für individuelle Impfentscheidung" organisiert haben. Eine von ihnen ist die Kinderärztin Nicola Fels. Für die 54-jährige, die seit 18 Jahren eine Praxis in Krefeld unterhält, bedeutet Impfen zwar "Krankheitsvorbeugung", nicht aber "Gesundheits-Förderung".

Fels setzt sich dafür ein, Eltern "adäquat und ehrlich" über das Für und Wider von Impfungen zu beraten. Vor allem Nebenwirkungen machten Eltern Sorgen. Laut Statistik des Robert-Koch-Instituts wird die Masern-Impfung in 2,4 Fällen von 1000 "schlecht vertragen"; Bei Masern-Mumps-Röteln-Impfung hätte Geimpfte in 15,2 Prozent Nebenwirkungen verspürt. Angst hätten Eltern jedoch vor allem davor, dass Impfungen schwere Krankheiten auslösten, was in seltenen Fällen passiert. "Sie wollen dann von ihrem Arzt die Garantie, dass sowas bei ihrem Kind nicht passiert", sagt Fels: "Aber die kann ich natürlich nicht geben". Sie setzt sich dafür ein, Eltern zu "eigenverantwortlichem Denken und Handeln" anzuregen.

Impf-Aufklärung durch den Arzt wird mit vier Euro vergütet

Nicola Fels bietet deshalb auch Themenabende für Eltern an. Titel: "Anregung zur individuellen Urteilsbildung". Eltern, sagt Fels, "haben ein Recht darauf, offen und ehrlich über Impfungen informiert zu werden". Solche Gespräche bräuchten "mindestens eine halbe Stunde Zeit", das sei im Praxisbetrieb kaum zu leisten. Es rechne sich auch nicht: Laut Kassenärtzlicher Vereinigung Nordrhein wird die Impf-Information mit 4 Euro vergütet. Eine Impfung bringe dem Arzt zwischen 7 und 20 Euro.

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Für ihre Vorträge plant Fels zwei Stunden, da oft viele Fragen gestellt würden, würden es oft drei Stunden. Fels mag dabei niemanden zur Impfung drängen, ist selbst jedoch keine Impf-Gegnerin, wie sie betont: "Ich habe aber dezidierte Impf-Gegner unter den Eltern". Was sie akzeptiere. Besonders ihnen legt sie nahe, "dass sie eine besondere Verantwortung übernehmen" und setzt auf Hinweise zur Gesundheitsförderung. Dazu gehört u.a. richtige Ernährung, aber auch konkrete Handlungsanweisungen. Fels: "Wenn ein ungeimpftes Kind krank ist, muss es zu Hause bleiben und ein Elternteil muss es pflegen". Bei Fieber müsse nicht sofort zum Fieberzäpfchen gegriffen werden, meint Fels, denn "Fieber ist eine sinnhafte Funktion des Organismus".

Um wieviele Impfungen geht es eigentlich?

Impfen? Alles im Interesse der Pharma-Industrie, behaupten Gegner 

Die ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts empfielt in ihrem "Impfkalender" gut 30 Impfungen, die Babys in den ersten zwölf Lebensmonaten verabreicht werden sollten. Ein großes Geschäft für die Pharmaindustrie sei das, behaupten Impf-Kritiker und Gegner. Nicola Fels ist überzeugt davon, dass längst nicht jede Impfung für Kinder hierzulande medizinisch wirklich notwendig ist.

Von manchen Impfungen hält Fels nichts: An Rotaviren sei in hiesigen Breiten noch kein Kind gestorben. Und Windpocken seien überwiegend harmlos; die Impfung letztlich nur aus wirtschaftlichen Gründen eingeführt worden, "damit Arbeitnehmer nicht zu Hause ihre Kinder versorgen müssen, während der etwa zehn Tage dauernden Krankheit".

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Zudem stehen manche Inhaltsstoffe von Impfungen in der Kritik. Aluminium etwa wird in Verbindung gebracht mit der sogenannten „Makrophagischen Myofasciitis“, einer entzündlichen Muskelschädigung mit Ablagerung von Aluminiumsalzen in der betroffenen Muskulatur, sagt der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe, der auf seiner Internetseite impf-info.de Fakten und Zahlen zum Impfen auf den Zahn fühlt, und damit Eltern, wie er schreibt "objektiv informieren" will. Sein Vorwurf: Die STIKO-Empfehlungen seien "in vielen Fällen nicht nur am Wohl des Kindes, sondern an hehren epidemiologischen Zielen orientiert". Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts lagen die Impfquoten bei Schulkindern im Jahr 2012 bei den wichtigsten Impfungen bundesweit jeweils über 90 Prozent und waren seit 2002 zum Teil deutlich gestiegen. Was Rabe und auch andere Impfgegner zudem anprangern, sind "enge Verflechtungen zwischen offiziellen Impf-Empfehlungen und Interessen der Pharmaindustrie".

Vieles ist noch unerforscht

Beim Robert-Koch-Institut hat man 20 gängige Einwände von Impf-Kritikern aufgelistet und mit Gegenargumenten beantwortet. Manche Einwände, ist dort zu erfahren, ließen sich tatsächlich nicht völlig von der Hand weisen: Dass Impfungen etwa Nebenwirkungen haben, sei "unbestritten", aber: "Impfungen sind so häufig, dass viele Gesundheitsstörungen ganz zufällig nach der Immunisierung auftreten können".

Impf-Kritiker wie Nicola Fels machen jedoch auf ein Dilemma aufmerksam, das bei all der Flut an Informationen im Netz den Meinungskampf zwischen Impf-Gegnern und -Befürwortern wohl noch länger kaum wird befrieden lassen: Vieles ist noch unerforscht. Etwa inwieweit die mittlerweile hochkonzentrierten Mehrfachimpfstoffe das kindliche Immunsystem schwächen oder gar nachhaltig schädigen könnten und zum Beispiel anfälliger für Allergien machen: "Es gibt heutzutage mehr Impfungen – und mehr Allergien. Ob das eine jedoch mit dem anderen zusammenhängt, ist nicht belegt", heißt es dazu beim Robert-Koch-Institut. "Mehr freie Studien" fordert deshalb Nicola Fels. Auch endlich mit ungeimpften Kindern.