Witten/Essen. Zu wenig Licht macht nicht nur trübselig, es kann auch Krankheiten begünstigen. Experten erklären, wie man den Winterblues überstehen kann.

Es ist nass und windig und kalt. Doch das Schlimmste: Den ganzen Tag über bleibt es dämmrig trüb. Wagt sich die Sonne doch einmal hervor, bleibt sie nie lange. Es wird spät hell und früh dunkel. Und mit jedem Wintertag fühlt es sich unangenehmer an. Reine Kopfsache?

Nein – der Körper hat schon recht, wenn er in dieser Jahreszeit müde und schlapp ist. Denn bekommen wir zu wenig Licht, leiden tatsächlich bestimmte körperliche Funktionen, wie Dr. Andreas Savelsbergh, Dozent für Biochemie an der Universität Witten/Herdecke, erklärt: „Durch das Tageslicht werden bestimmte hormonelle Abläufe im Körper synchronisiert.“ Beispiel Melatonin: Der Botenstoff wird aus Serotonin produziert und steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers. Tageslicht hemmt die Produktion von Melatonin, das uns müde macht und vom Körper daher erst abends benötigt wird.

Wie wirkt Licht im Körper?

Im Winter jedoch gibt es hierzulande verhältnismäßig wenig Tageslicht, mit der Folge, dass der Melatoninspiegel auch tagsüber erhöht ist. Zwar ist der Rhythmusreiz trotz des schwächeren Lichts in der Regel noch immer stark genug, dass alle Abläufe funktionieren. Dennoch könne unsere Stimmung leiden, erklärt Professor Manfred Schedlowski, Leiter des Institutes für medizinische Psychologie an der Uniklinik Essen. Bei manchen Menschen kommt es zum sogenannten „Winterblues“, auch „Winterdepression“ genannt.

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Der Experte warnt jedoch davor, gleich von einer ausgewachsenen Depression auszugehen, wenn man mal ein paar Tage lang müde und niedergeschlagen sei. „Mit Winterdepression meint man in der Regel eine Befindlichkeitsstörung ohne krankhafte Veränderung – die Stimmung korrespondiert einfach mit dem grauen Winterwetter. Die Ursachen können sowohl neurobiologischer als auch psychologischer Natur sein.“

Doch zu wenig Licht oder das falsche Licht zur falschen Zeit kann nicht nur schlapp und trübselig machen. Indirekt kann es auch Erkrankungen begünstigen: So leiden viele Schichtarbeiter unter Schlafstörungen, die – zumindest teilweise – auf den veränderten Lichteinfall zurückzuführen sind.

Denn wenn es dunkel wird und der Melatoninspiegel steigt, geht der Körper in den Schlafmodus. Durch Nachtarbeit wird er aber wach gehalten und erst in den Schlaf geschickt, wenn mit dem Tagesanbruch wieder weniger Melatonin vorhanden ist und der Befehl eigentlich „Wachwerden!“ lautet. Auch bekommt, wer nachts arbeitet und tagsüber viel schläft, noch weniger Tageslicht als andere. „Es gibt Tierstudien, die belegen, dass Tageslichtentzug langfristig zu einer Umstellung der hormonellen Abläufe führt und die Abwehrkräfte schwächt“, so Schedlowski.

Wie tickt die innere Uhr?

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Kein Wunder, denn die komplexen körperlichen Zusammenhänge sind genau austariert, wie Andreas Savelsbergh erklärt: „Sie sind tatsächlich in den Körper eingebaut, wie eine innere Uhr. Durch den Wechsel Tag/Nacht wird diese Uhr immer wieder neu gestellt“. Wir brauchen also das Tageslicht und seine Wirkung auf unseren Melatoninhaushalt, um nicht aus dem Takt zu geraten.

Ein wenig Abhilfe schaffen könnten laut Andreas Savelsbergh sogenannte Tageslichtlampen. Sie gaukeln dem Körper täuschend echt vor, dass es Tag ist und der Melatoninspiegel gering gehalten werden muss. „Sie können das Tageslicht für den Körper glaubhaft imitieren, indem ihr Licht das Spektrum der Sonne enthält. Normale Lampen sind dafür zu dunkel und verfügen eben auch nicht über dieses Spektrum.“

Wozu brauchen wir Vitamin D?

Neben der Melatonin-Produktion und dem damit zusammenhängenden Tag-Nacht-Rhythmus, beeinflusst Tageslicht auch unseren Vitamin-D-Haushalt. Vitamin D hilft dem Körper, Calcium aus der Nahrung aufzunehmen und ist somit wichtig für Knochenbildung und Knochenstabilität. Die Alterskrankheit Osteoporose, die Knochen brüchig macht, kann von Vitamin-D-Mangel begünstigt werden.

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Eigentlich kann der menschliche Körper selbst in ausreichendem Maße Vitamin D herstellen, allerdings nur unter Einwirkung von UV-Licht, woran es gerade im Winter regelmäßig mangelt. „Wir brauchen etwa 20 bis 30 Minuten Sonnenlicht pro Tag“, erklärt Andreas Savelsbergh – dafür reiche es aber nicht, nur das Gesicht in die Sonne zu halten, es müssten schon Arme oder Beine hinzukommen. Da sich kaum jemand bei winterlichen Temperaturen im T-Shirt nach draußen setzt, um seine Vitamin-D-Depots aufzufüllen, sollte man in dieser Zeit besonderes Augenmerk auf die Ernährung richten, um dem Körper über die Nahrung genug Vitamin D zuzuführen.

Wie füllt man Vitamin D-Reserven?

Besonders reich an Vitamin D sind zum Beispiel fettige Fische wie Hering, Sardine und Lachs, bestimmte Fruchtsorten wie Avocado und einige Pilzarten oder Eier. Auch Milchprodukte wie Butter und Käse können helfen. Sie haben zwar keinen besonders hohen Vitamin-D-Anteil, dafür kommen sie aber in vielen Haushalten regelmäßiger auf den Tisch als Fisch oder Avocado. Bleibt noch der Lebertran, in dessen Genuss auch Andreas Savelsbergh in seiner Kindheit kam.

Wenn möglich, würden die meisten aber wohl eher einen kurzen Trip in wärmere Gefilde bevorzugen, denn auch das kann zeitweise helfen. Eine gewisse Menge des Vitamins könne der Körper durchaus speichern, so Savelsbergh. Doch auch Sonnenlicht-Vorräte sind irgendwann erschöpft. Und die Tageslichtlampen, die in Sachen Melatonin ganz hilfreich sind, können die Vitamin-D-Produktion nicht beeinflussen.