Essen. . Der Patient von heute soll mündig sein, mitentscheiden und seine eigene Gesundheit fördern. Ein starres Modell, in dem Mediziner entscheiden und der Patient – zugespitzt formuliert – „alles schlucken soll“, ist nicht mehr zeitgemäß. Experten schlagen stattdessen das „Partnerschaftliche Modell“ vor.
Beim „Partnerschaftlichen Modell“ treffen Patienten und der behandelnde Arzt gleichberechtigt medizinische Entscheidungen. Jeder ist dabei verantwortlich für seine Entscheidung. Der Psychologe und Mediziner Professor Hermann Faller erforscht unter anderem die „Patientenorientierte Medizin“. Viele verschiedene Prozesse, sagt er, haben zu Veränderungen in der Beziehung zwischen Ärzten und Patienten geführt. „Die Technisierung der Medizin und die damit eher fehlende emotionale Betreuung ist ein Grund“, erklärt Faller. Aber auch die neuen Medien hätten großen Einfluss auf das veränderte Rollenverständnis genommen. „Informationen sind nun überall im Internet zu bekommen – man muss dafür kein Lehrbuch kaufen“, so Hermann Faller.
Studien zeigen, dass die Qualität der Behandlung verbessert wird, wenn der Patient sich aktiv einbringt. Gleichwohl: Die Bezeichnung „mündiger Patient“ sorge bei manchen Medizinern für Unwohlsein. Gespräche auf Augenhöhe sind nicht überall anzufinden. „Theorie und Praxis driften teils noch auseinander“, sagt Hermann Faller.
Wenn Ärzte gefragt werden, warum sich das „Partnerschaftliche Modell“ nicht so umsetzen lasse, würde sehr häufig Zeitmangel genannt. Dies sei aber so nicht haltbar, sagt Faller. „Studien zeigen, dass es gerade Zeit einspart, wenn der Patient direkt Fragen stellt.“ Kommt der Patient nicht zu Wort, werde eher ein neuer Termin ausgemacht, weil man das alles nicht so richtig verstanden hat und der gegenteilige Effekt trete ein. Zu einem guten Gesprächsverlauf können sowohl Arzt als auch Patient beitragen. „Die allermeisten Patienten wollen rundum informiert werden“, sagt Hermann Faller.
Offene Fragen sollten bestenfalls das Gespräch einleiten
Der Mediziner kann eine gute Kommunikationsgrundlage schaffen, indem er sich während des Gesprächs auch wirklich vollends auf dieses Gespräch konzentriere. „Der ständige Blick auf den Computer schadet dem Klima“, so Faller. Offene Fragen sollten bestenfalls das Gespräch einleiten, damit direkt der Patient zu Wort komme. Ganz wichtig sei zudem, den weiteren Verlauf immer transparent zu halten. „Der Arzt sollte zum Beispiel sagen, dass später noch diese oder jene Untersuchung folgen könnte und wann dann noch Zeit für ein Gespräch ist.“
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Um nicht unwissend, enttäuscht oder gar wütend das Gespräch zu verlassen, hält die Patientenuniversität in Hannover auch immer wieder Seminare zum Thema Arzt-Patienten-Kommunikation. Die oberste Empfehlung ist immer wieder eine gute Vorbereitung auf das Gespräch, so Professorin Marie-Luise Dierks, Leiterin des Arbeitsschwerpunktes „Patientenorientierung und Gesundheitsbildung“. „Für viele ist der Besuch beim Arzt eine stressige Situation, in der man schon mal einiges vergisst. Deswegen sollte man seinen Notizzettel ruhig auch in das Gespräch mitnehmen“, sagt Marie-Luise Dierks. Auf so einen Merkzettel gehören zum Beispiel die wichtigsten Fragen, welche Beschwerden wann genau auftreten oder welche Medikamente aktuell eingenommen werden. „Der Patient sollte sich auch während des Gesprächs nicht davor scheuen, konkret nachzuhaken, wenn etwas unklar ist“, so Dierks.
Patientenbefragungen ergaben, dass in erster Linie Zeit und das individuelle Eingehen auf den Patienten vermisst werden. Um Hemmungen seitens der Patienten abzubauen, wird an der Patientenuni bei den Teilnehmern vor allem die innere Haltung gestärkt. „Wir wissen ja, dass es schon viel ausmacht, wie man zum Beispiel sitzt – ob eingefallen oder mit einem geraden Rücken“, sagt Dierks. Eine gute Körpersprache kann den Kommunikationsverlauf in die richtigen Bahnen lenken.
Mediziner sollten informierte Patienten loben
Spürt der Patient, dass sein Gegenüber unter Zeitdruck steht, helfen Formulierungen wie: „Ich habe aber noch Fragen, wenn wir jetzt keine Zeit mehr haben, können wir vielleicht einen neuen Termin vereinbaren“. Seitdem das Internet die schnelle Informationssuche ermöglicht, geht der Patient oft informiert in die Sprechstunde. Nicht jeder Mediziner ist begeistert, wenn der „vorinformierte“ Patient ihm seine Sicht der Dinge schildert. Dierks und Faller sehen hingegen vor allem den positiven Effekt. „Eigentlich sollte jeder Patient gelobt werden, wenn er sich selbst informiert“, sagt Faller. Der Mediziner könne dann am Vorwissen anknüpfen und weitere Fragen klären. „Es ist absolut in Ordnung, sich selbst zu informieren“, sagt auch Marie-Luise Dierks. Man solle vielleicht nicht mit einem Stapel Literatur in die Praxis kommen und sagen „Ätsch, da habe ich aber was anderes gelesen“. Aber: „Ein kompetentes Gespräch zu führen“, dürfte Patient und Arzt zufriedenstellen.