Luxemburg. Mindestlohn-Regeln bei öffentlichen Aufträge in Deutschland schützen nur Beschäftigte in der Bundesrepublik. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden – Arbeitnehmer in anderen Staaten können sich nicht darauf berufen.
Wer in NRW einen Dienstleistungsauftrag der Öffentlichen Hand an Land ziehen will, muss seinen Beschäftigten nach dem Tariftreue- und Vergabegesetz einen Mindestlohn von 8,62 Euro zahlen. Kann er das umgehen, wenn er den Auftrag von einem Subunternehmer im EU-Ausland ausführen lässt? Ja, sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH), das Ausweichmanöverist zulässig – das ergebe sich aus der Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt.
Im konkreten Fall, den die deutschen Gerichte den EU-Kollegen in Luxemburg vorgelegt hatten, geht es um einen Auftrag der Stadt Dortmund. Die will die Akten ihres Amts für Stadtplanung und Bauordnung digital erfassen lassen. Wer sich um den Auftrag bewirbt, muss nachweisen, dass er ihn von Personal erledigen lässt, das nach Mindesttarif entlohnt wird.
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Die Berliner Bundesdruckerei bekundete Interesse, wollte aber soviel nicht zahlen. Der Auftrag werde von einem Subunternehmer in Polen erledigt, da greife die Verpflichtung zum Mindestlohn nicht. So sieht es in seinem Urteil vom gestrigen Donnerstag auch das oberste EU-Gericht: Die Untergrenze richte sich nach den Lebenshaltungskosten in Deutschland. Deswegen könne die Geltung nicht einfach in einen anderen Mitgliedstaat verlängert werden, wo das Leben billiger ist. Das würde nämlich den Firmen dort die im Binnenmarkt ausdrücklich erwünschte Möglichkeit nehmen, ihre Dienste jenseits der Landesgrenzen dank niedriger Lohnkosten günstiger anzubieten.
SPD kritisiert das Urteil des EuGH
Die Berufung auf Arbeitnehmerschutz lässt der EuGH nicht gelten: Wenn es darum gehe, Lohndumping zu verhindern, sei nicht einzusehen, warum die Mindestlohn-Regel nur für öffentliche Auftraggeber, nicht aber für private Unternehmen gelten solle (Az. C-549/13).
Ganz anders sieht es die SPD im Europaparlament. Sie kritisierte das Urteil scharf. Wieder einmal gebe das Gericht den Interessen von Unternehmern aus Billiglohn-Ländern Vorrang gegenüber den Belangen hiesiger Firmen und ihrer Mitarbeiter, sagte die Sozialpolitikern Evelyne Gebhardt. „Die Bürger und Bürgerinnen Europas wollen keinen Binnenmarkt, der Hungerlöhnen Tür und Tor öffnet.“