Dortmund/Lünen. Immer wieder fotografieren sich Jugendliche, meist Mädchen, mit ihren besten Freundinnen auf Bahngleisen. Sie sehen darin nicht mehr als eine spannende Aktion und ein schönes Motiv. Doch die Bundespolizei warnt: An Bahngleisen lauern tödliche Gefahren. Auch Eltern sollten sich angesprochen fühlen.
Das Motiv birgt eine gewisse Romantik, es steht zu gleich für Fernweh wie für Unendlichkeit: Immer wieder fotografieren sich Jugendliche, zumeist Mädchen, an Bahngleisen. Eine lebensgefährliche Aktion, wie die Bundespolizei betont. Vielen Teenagern sei nicht bewusst, was ihnen an Bahnanlagen passieren könne. Nicht nur von Hochgeschwindigkeitszügen, die kaum zu hören seien, sondern auch von Hochspannungsleitungen gehe eine tödliche Gefahr aus.
Deshalb will die Bundespolizei Eltern von Teenagern dafür sensibilisieren. "Eltern sollten darauf achten, was für Fotos ihre Kinder bei Facebook posten", sagt Volker Stall von der Bundespolizei in Dortmund. Fänden sich in den Profilen Fotos, die auf Bahnanlagen aufgenommen worden seien, müssten Eltern ihre Kinder darauf ansprechen.
Mädchen in Lünen von Güterzug erfasst und tödlich verletzt
Erst vor wenigen Wochen waren in Lünen zwei 14- und 15-jährige Mädchen ums Leben gekommen, als sie von einem Güterzug erfasst wurden. Die Polizei schließt aus, dass es sich um Selbstmord handelt, und vermutet, es sei ein Unfall gewesen. In der Nähe der Unglücksstelle wurde eine Kamera gefunden.
Auch bei dem tödlichen Zugunglück von Memmingen, bei dem im Mai 2011 zwei Mädchen starben, sollen Fotos eine Rolle gespielt haben. Der Bundespolizei seien noch weitere Fälle bekannt, sagt Sprecher Stall, genaue Zahlen darüber gebe es aber nicht.
Die Bundespolizei selbst warnt bei Seminaren in Schulen seit Längerem vor Gefahren an Bahnanlagen. In diesen Vorträgen soll nun auch der gefährliche Trend mit den Fotos erwähnt werden, sagt Stall. Es sei aber immer eine Gratwanderung, wie stark man das Thema fokussiere. Schließlich bestehe das Risiko, dass bislang Unbeteiligte erst auf die Idee gebracht würden, sich auf Bahngleisen zu fotografieren.
Mädchenfreundschaften auf Facebook sind hochgradig emotionalisiert
Der Münchner Sprachforscher und Soziologe Martin Voigt hat das Phänomen untersucht. Er sieht in den Fotos, die häufig mit emotionalen Sätzen wie "Egal was passieren mag, wir gehen gemeinsam unseren Weg..! <3" kommentiert sind, einen Trend unbekannter Herkunft.
Mit solchen Fotos konfrontiert würden die meisten Mädchen ablehnend reagieren: "Das ist doch peinlich", heiße es häufig. Wer dennoch solche Fotos mache, begründe es damit, dass es "schön aussehe", Fotos im Garten könne "ja jeder machen".
Obwohl die Kommentierung der Fotos häufig einen suizidalen Einschlag habe ("„Auch wenn jetzt ein Zug kommen würde … ich würde deine Hand nie loslassen"), geht Voigt davon aus, dass die Betroffenen in der Regel nicht suizidgefährdet seien.
Die Emotionalisierung von Freundschaften, besonders unter Mädchen, sei ein jugendkulturelles Phänomen, das mit den sozialen Netzwerken aufgekommen sei. Dadurch seien Freundschaften vergleichbar geworden.