Washington. Dem mutmaßlichen Wikileaks-Informanten und Obergefreitem Bradley Manning droht in den USA eine lange Haftsrafe. US-Präsident Barack Obama zeigt sich unnachgiebig im Umgang mit undichten Stellen. Mannings Prozess vor einem Militärgericht beginnt am Montag.

Als US-Präsident Barack Obama im Januar 2009 sein Amt antrat, versprach er nicht nur eine andere Politik, sondern auch einen neuen Politikstil. In einer seiner ersten Dienstanweisungen ließ Obama seine Mitarbeiter wissen, dass die Regierung fortan einem "nie dagewesenen Niveau an Offenheit" verpflichtet sei. Doch das Transparenzgelöbnis steht in starkem Widerspruch zum harten Umgang des Präsidenten mit Geheimnisverrätern. Vor allem erzürnt Kritiker der Fall des mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning, dem ab Montag vor einem Militärgericht der Prozess gemacht wird.

"Alle Amerikaner, denen die Zukunft unseres Landes am Herzen liegt, müssen sich für Bradleys Verteidigung engagieren. Hier geht es um die Transparenz und Rechenschaftspflicht unserer Regierung", schrieb vor einigen Tagen Daniel Ellsberg, einer der bekanntesten "Whistleblower" der US-Geschichte.

Der Militärberater Ellsberg hatte den US-Medien vor mehr als 40 Jahren die Pentagon-Papiere über den Vietnamkrieg zugespielt. Aus den geheimen Dokumenten ging hervor, dass der Krieg lange geplant war und mehrere Präsidenten die Öffentlichkeit über die Hintergründe belogen hatten. Ellsberg wurde damals auf Grundlage eines am Ende des Ersten Weltkrieges erlassenen Spionagegesetzes angeklagt, das die Störung von US-Militäreinsätzen durch die Weitergabe von Informationen unter Strafe stellt. Später wurden die Vorwürfe fallengelassen.

Debatte über "Außenpolitik und den Krieg allgemein"

Auch Manning muss sich wegen Verstößen gegen das Spionagegesetz von 1917 verantworten. Der Obergefreite hat eingeräumt, die Quelle der Geheimdokumente über die US-Einsätze im Irak und in Afghanistan zu sein, die vor drei Jahren über die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangten. In einer Reihe minderschwerer Anklagepunkte will sich Manning schuldig bekennen - den Hauptvorwurf der Feindesunterstützung weist er aber zurück. Der 25-Jährige erklärte, er habe eine Debatte über "Außenpolitik und den Krieg allgemein" anstoßen wollen.

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"Für seinen Mut droht Bradley lebenslange Haft - so wie mir vor 40 Jahren", schrieb Ellsberg. Dabei gebe es "keinen Beweis, dass irgendjemand durch seine Enthüllungen in Gefahr gebracht wurde". Das sehen die Ankläger vor dem Militärgericht in Fort Meade anders. In dem auf zwölf Wochen angesetzten Prozess wollen sie nachweisen, dass Manning bewusst gewesen sei, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida von der Veröffentlichung der Dokumente profitieren würde. Auch Obama sagte über Manning: "Er hat das Gesetz gebrochen."

Der Präsident geht so entschlossen wie kaum einer seiner Vorgänger gegen anonyme Informanten in den eigenen Reihen vor. Obamas Regierung brachte bereits in sechs Fällen eine Anklage gegen Geheimnisverräter nach dem Spionagegesetz von 1917 auf den Weg - doppelt so viel wie bei allen Präsidenten vor ihm zusammengenommen. Der frühere FBI-Dolmetscher Shamai Leibowitz wurde beispielsweise im Jahr 2010 zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er vertrauliche Informationen an einen Blogger weitergegeben hatte.

Ja zur Pressefreiheit - Nein zur Gefährdung von Soldaten

Zwei aktuelle Fälle verstärken den Eindruck, dass Obama beim Umgang mit undichten Stellen nicht zimperlich ist. Die Nachrichtenagentur AP beklagte sich im Mai, dass sich das Justizministerium im vergangenen Jahr heimlich ihre Telefondaten beschafft habe. Offenbar hing die Überwachungsaktion mit einem Bericht der Agentur über einen durch den Geheimdienst CIA vereitelten Terroranschlag zusammen.

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Kurz darauf wurde Obamas Regierung vorgeworfen, auch einen Korrespondenten des Fernsehsenders Fox News wegen eines möglichen Informationslecks ins Visier genommen zu haben. Auch hier sollen sich die Ermittler Telefondaten besorgt und außerdem das persönliche E-Mail-Postfach des Journalisten überprüft haben.

Der Präsident verteidigte das Vorgehen des Justizministeriums. Zwar sei die Pressefreiheit ein hohes Gut, sagte er Ende Mai in einer Rede. Doch als Oberbefehlshaber müsse er auch dafür sorgen, dass die Soldaten im Einsatz nicht durch illegal durchgesickerte Informationen gefährdet würden. (AFP)