Hagen/Schalksmühle. . Ex-Freund sagt im A45-Mordprozess aus.
Sein Widerstand nützte dem ehemaligen Partner der Iptehal A. nichts: „Ich möchte mich nicht äußern“, sagte gestern im Zeugenstand der heute 32-jährige Türke, mit dem die Ermordete angeblich nach islamischem Recht verheiratet war. Die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen wies den Zeugen freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass er kein Zeugnisverweigerungsrecht habe und aussagen müsse. Und sollte er bei seiner Weigerung bleiben, könne er in Beugehaft genommen werden, bis er bereit sei auszusagen – ohne Anrechnung dieser Tage auf die Haftstrafe, die der 32-Jährige derzeit in Bayreuth verbüßt.
Nach diesem Vorspiel lieferte der Zeuge allerdings eine Aussage, die vieles erhellte und die gegenüber der scheinbaren Gleichgültigkeit der Angeklagten einen Vorteil hatte: Dieser Mann zeigte sich betroffen und traurig über den Tod der 20-Jährigen, mit der er seiner Erinnerung nach nicht religiös verheiratet war: „Wir hatten das geplant, aber es kam nicht dazu.“ Die Beziehung sei freundschaftlich und nicht intim gewesen: „Wir haben Grenzen eingehalten.“ Dennoch sei der Graben zur Familie der Iptehal A. sehr tief gewesen: Als Iptehal auf ihren Wunsch zu ihm gezogen sei, habe das ungefähr den Stellenwert einer „Entführung“ gehabt. „Es war nicht richtig, dass ich mit ihr weggezogen bin – ohne Einverständnis ihrer Familie.“ In der Folgezeit versuchte das arabisch-türkische Paar den Verstoß gegen die angeblichen Rechte des Familienverbandes wiedergutzumachen: Weil Iptehals Onkel in Essen „der netteste“ war, fuhr das Paar zu ihm, um die familiäre Aussöhnung auf den Weg zu bringen und „um Verzeihung zu bitten“.
Mann sollte zu Heirat gezwungen werden
Die Front der Ablehnung war allerdings weiterhin breit: Aus dem Verband von Iptehals Eltern und Geschwistern wollte der Zeuge nur den Vater ausnehmen: „Von jetzt an bist du unser Sohn. Du kannst hier leben“, erinnerte sich der Zeuge an die Worte des eher gutmütigen Patriarchen. Mit allen anderen gab es jedoch Ärger. „Sie wurde von ihrem Bruder geschlagen.“ Einmal habe seine Freundin von diesen Übergriffen sogar eine Verletzung am Arm gehabt.
Noch weitaus massiveren Druck bekam der junge Mann zu spüren, nachdem er eine Beziehung mit einer jungen Türkin eingegangen war und diese sogar geschwängert hatte. Ihre Familie entführte den Gefährder der Familienehre und setzte ihn mit Waffengewalt unter Druck: „Ich sollte auf den Koran schwören, dass ich zu ihr fahren, sie heiraten und alles wiedergutmachen würde.“ Der junge Mann blieb standhaft: „Wenn ihr wollt, könnt ihr mich erschießen.“ Er wusste, was er wollte: „Ich habe mich für Iptehal entschieden.“ Nach seiner Inhaftierung und wegen der Konkurrenz durch eine weitere Frau ging die Beziehung aber in die Brüche.
Der Prozess wird heute ab 11 Uhr im Schwurgerichtssaal des Landgerichts fortgesetzt.
Der Fall: Mit einem Kopfschuss wurde die 20-jährige Iptehal A. am 31. August 2008 auf dem Rastplatz Sterbecker Siepen an der A45 getötet. Im Januar 2010 wurde der Cousin des Opfers wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu 14 Jahren Haft verurteilt. Nun müssen sich auch zwei Onkel, der Bruder und die Mutter der Frau wegen Mordes verantworten.