Hagen/Schalksmühle. Erneut bot der A45-Mordprozess am Donnerstag Anlass zum Kopfschütteln. Im Zeugenstand war jener Mann, der vermutlich der letzte Freund der Iptehal A. war.

Der Gelsenkirchener konnte (oder wollte) sich daran nicht mehr so recht erinnern: Wie oft es denn im Leben des Zeugen vorkomme, dass eine Freundin erschossen werde, fragte eine sichtlich aufgebrachte Richterin, die sich darüber wunderte, dass der 32-Jährige zur Qualität der Beziehung nichts zu sagen wusste. „Nicht so oft“, gab er kleinlaut zu und erntete eine weitere erstaunte Nachfrage von Richterin Heike Hartmann-Garschagen: „Sie können mir nicht sagen, ob sie zu diesen Zeitpunkt eine Intimfreundin oder eine platonische Freundin war?“ Die Antwort blieb einsilbig: „Nicht wirklich!“

Zeuge hält Heirat in Familie für normal

Seine SMS-Botschaften, die die 20-Jährige noch kurz vor ihrem Tod erreichten, lasen sich eindeutiger: „Können wir uns heute sehen – ich habe dich vermisst“, hieß es da und „Nimm dir mal ein bisschen Zeit für mich, ich habe dich lieb!“ Dass die für das sogenannte westliche Denken eigentlich völlig normale Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau nicht einmal unter zwei Arabern unproblematisch war, machte der Zeuge im weiteren Verlauf seiner Aussage deutlich. „Es gehört sich nicht, dass ein Araber mit einer Araberin zusammen ist.“ Diese Ansicht sorgte im Gerichtssaal zunächst für Verwirrung. Gemeint war: Die Ansicht, dass Menschen dieses Kulturkreises innerhalb ihrer eigenen Großfamilie heiraten sollten, ist immer noch weitverbreitet. Gegenüber anderen Familien gehe man auf Distanz, behauptete der Zeuge. Eine besondere Situation war für ihn auch, dass die Frau, mit der er befreundet war, sich von ihrem Mann getrennt hatte und sich nicht an die üblichen Verhaltensweisen hielt: „Sie wollte nicht als Geschiedene zurück zu ihrer Familie.“ Ihren dringenden Wunsch, lieber alleine zu leben, habe die junge Frau aber nicht konsequent umgesetzt: „Entweder hat sie Angst vor den Eltern und ist ausgestoßen und nicht willkommen“ oder all das gelte eben nicht, wunderte sich der Zeuge über Iptehals widersprüchliches Verhalten. Dass sie ernsthaft Angst vor ihrer Familie hatte, konnte sich der Zeuge trotz ihres damaligen Aufenthaltes im Gelsenkirchener Frauenhaus nicht vorstellen: „Angst? Sie war am Wochenende ja immer zuhause.“

Der Prozess wird am Dienstag ab 9.30 Uhr fortgesetzt

Der Fall: Mit einem Kopfschuss wurde die 20-jährige Iptehal A. am 31. August 2008 auf dem Rastplatz Sterbecker Siepen an der A45 getötet. Im Januar 2010 wurde der Cousin des Opfers wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu 14 Jahren Haft verurteilt. Nun müssen sich auch zwei Onkel, der Bruder und die Mutter der Frau wegen Mordes verantworten.