Berlin. In kaum einem anderen Land wird so viel operiert wie in Deutschland. Der Verdacht steht im Raum, dass darunter Eingriffe sind, die medizinisch nicht notwendig sind, den Krankenhäusern aber gute Einnahmen bringen. Die weisen den Vorwurf zurück. Gesundheitsminister Bahr will mögliche Anreize abstellen.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will Fehlanreize zur Vermeidung medizinisch überflüssiger Operationen beseitigen. "Wir wollen, dass die Krankenhausversorgung für die Menschen besser wird - es darf nicht ein Fehlanreiz sein, besonders viel machen zu müssen für ein Krankenhaus", sagte Bahr am Donnerstag in Berlin. Die Mengensteigerungen der letzten Jahre seien nicht alle mit der alternden Bevölkerung und dem medizinisch-technischen Fortschritt zu begründen.

Mit 240 Klinikaufenthalten pro 1000 Einwohner wurden zuletzt in Deutschland nach Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland pro Jahr so viele Menschen stationär behandelt wie in kaum einem anderen Industriestaat. Nur in Österreich sind es mit 261 noch mehr. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 155. Bei den Herz-Kreislauf-Behandlungen und künstlichen Hüften ist Deutschland an der Spitze, bei Krebstherapien im Krankenhaus an Platz zwei.

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"Keine schweren Eingriffe aus ökonomischen Gründen"

Nach den Worten von Bahr sollen Kliniken, die gute Arbeit leisten, durchaus auch mehr operieren. "Aber es darf nicht gelten, dass alle Krankenhäuser in Deutschland immer mehr machen. Das kostet die Beitragszahler viel Geld", gehe auch zulasten der Beschäftigten. Das Problem ist nach den Worten des Minister "nicht von heute auf morgen mal eben mit einer Maßnahme zu lösen: Weil wir auch weiterhin wollen, dass wir keine Wartezeiten und Wartelistenmedizin in Deutschland bekommen." Zudem müssten Krankenhäuser auch wirtschaftlich arbeiten.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, trat der Kritik entgegen, es werde aus Profitgier zu viel operiert: "Niemand muss Sorge haben, dass er aus ökonomischen Gründen einen schweren Eingriff zu erleiden hat."

Den Vorwurf, dass Krankenhäuser und Krankenhausärzte "aus Geldgründen medizinische Behandlungen durchführen, weisen wir dezidiert zurück", fügte Baum hinzu. Dieser sei "durch nichts bewiesen". "Dass es schwarze Schafe gibt, wird man nirgendwo ausschließen können." Es handele sich aber um Einzelfälle. "Wir sollten stolz darauf sein, dass wir ein Gesundheitswesen haben, das international eine Spitzenstellung einnimmt."

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Stackelberg erachtet "größere Krankenhausreform"

Der Vizevorsitzende des Kassen-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, kritisierte, die Patientenbehandlung werde in Deutschland überwiegend über den Preis gesteuert - der wiederum durch Eingriffe der Politik ständig erhöht werde. "Dadurch steigen die Anreize, mehr Fälle zu produzieren. Das kann nicht richtig sein, dieser Kreislauf muss durchbrochen werden." Es gebe "Anzeichen, dass nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen operiert wird. Dieser Verdacht muss entkräftet werden", sagte von Stackelberg.

Die Krankenkassen dürften nicht gezwungen werden, "schlechte Qualität zu kaufen", forderte von Stackelberg. Nötig sei, in der nächsten Legislaturperiode, "eine größere Krankenhausreform auf Kiel zu legen". Dann werde auch zu diskutieren sein, "dass die Länder ihrer Finanzverantwortung (für die Krankenhäuser) immer schwächer nachkommen". Diese haben ihre Mittel für Bau und Unterhalt der Kliniken im letzten Jahrzehnt um etwa ein Fünftel zurückgefahren. (dpa)