Olfen. Archäologen freuen sich über einen Sensationsfund aus der Römerzeit. Knapp 2.000 Jahre lagen die Überreste eines alten Militärlagers im Erdboden bei Olfen (Kreis Coesfeld), ehe sie nun von Wissenschaftlern des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) präsentiert wurden.

Als er die zweite Münze gefunden hatte, kannte Andre Eibisch kein Halten mehr. Er sprang in die Luft, er jubelte, er war sicher: Hier, am Kaninchenberg, 15 Meter über dem Ufer, wo die Lippe bei Olfen einen Bogen schlägt, hier gab es ein Römerlager.

Fiebernd sucht der Hobby-Archäologe weiter, zusammen mit seinen Eltern, die eigentlich nach Steinzeit-Resten suchen wollten. Sie finden noch eine Münze – und eine Keramikscherbe, groß wie ein Daumennnagel. „RVFIO LVMBRIC“ ist darauf eingeritzt – „Rufius, Töpfersklave des L. Umbricius“. Römische Keramik. 2000 Jahre alt. Aus Arezzo, Toskana.

Und heute, zwei Jahre später, ist auch die Wissenschaft sicher: Am Lippe-Ufer im münsterländischen Olfen gab es in der Zeit zwischen 11 und 7 vor Christus ein Römerlager. Zwei Kohorten, also 1000 Legionäre, könnten hier gelebt haben, auf einer Fläche, die sieben Fußballfeldern entspricht, geschützt von einem fünf Meter breiten, über zwei Meter tiefen Wassergraben und erdwall-verstärkten Holzpalisaden, gut vier Meter hoch.

Expedition ins Bierreich

Die Römer versuchten damals, vom Rhein aus über die Lippe flussaufwärts ins tiefe Germanien vorzudringen – zu jenen Stämmen, von denen sie mit unschöner Regelmäßigkeit überfallen wurden. Für die weinseligen Römer war es eine Expedition ins Bierreich, aber sie stand unter einem unglücklichen Stern – ihr Feldherr Drusus, Stiefsohn des Kaisers Augustus, stürzte im Jahr 9 vor Christus vom Pferd und starb an den Folgen. Man zog sich wieder zurück. Zwei Jahrzehnte später versuchte es Varus, was mit der Schlacht bei Kalkriese bekanntlich auch kein gutes Ende nahm.

So könnte das Olfener Lager ausgesehen haben. (Foto: Joachim Kleine-Büning/WAZ FotoPool)
So könnte das Olfener Lager ausgesehen haben. (Foto: Joachim Kleine-Büning/WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool

Aber davon hat jener Legionär ja noch nichts wissen können, der jene Münze verloren hat, die Andre Eibisch 2000 Jahre später jubelnd in Händen halten wird. Den Legionären ging es jedenfalls prima im Versorgungslager von Olfen, ihre Geldbeutel quollen derart über, dass sich auf dem gesamten Gelände rund 100 Münzen fanden. Wofür sollten sie ihren Sold denn auch ausgeben? Die Verpflegung der Armee war gut, meist gab es Brot und Brei aus Weizen, aber dann und wann auch ein saftiges Stück Schweinefleisch. Es gab Amphoren voller Olivenöl oder Rotwein aus den südlichen Provinzen, deren Scherben im Außengraben des Lagers landeten, warum auch immer. Aus dem spanischen Cadiz wiederum wurde das legendäre Garum angeliefert, das Maggi der Römer, dessen Zubereitungsweise man bis heute nicht kennt. Man weiß nur, dass es recht ordentlich nach Fisch schmeckte.

Der römische Mann, auf Reinlichkeit bedacht

Es gab sogar – in Olfen, wo ringsum die Germanen beinahe noch auf den Bäumen hockten – Duft- und Heil-Öle in Glasfläschchen, auch deren Scherben fand man zwei Jahrtausende später auf dem Acker am Kaninchenberg: „Der römische Mann“, sagt die Grabungsleiterin Dr. Bettina Tremmler, „war ja nicht weniger auf Reinlichkeit und Körperpflege bedacht als die Frau.“ Aber ein Warenangebot wie in Rom oder in Lutetia, dem späteren Paris, das gab es in Olfen eben nicht, da schlich sich leicht eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit dem Münzbeutel ein.

Verpflegung und Waren schafften die Römer mit Schiffen (die meist gezogen werden mussten) flussaufwärts. Straßen gab es ja noch nicht. Und in Olfen hatte die Lippe eine flache Furt, so dass die römischen Plattbodenschiffe hier öfters auf Grund liefen. So wurden die Waren hier ins Versorgungslager entladen.

Ein großer Segen

Für Archäologen wie Prof. Dr. Michael Rind vom zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist der Fund von Olfen ein großer Segen, weil die Reste des Lagers 2000 Jahre lang ohne jede Überbauung im Boden lagerten. Die Wissenschaftler reden weihevoll von einem „jungfräulichen Primärdenkmal“, das sie „mit aller Sanftmut“ behandeln wollen. Mit vorsichtigen Suchschnitten und punktuellen Sondierungen förderten sie 200 Funde zutage, die sie gestern in den Fachwerkstätten des LWL in Münster der Öffentlichkeit vorführten. Wie man das Denkmal vor Ort sichtbar machen will, darüber soll jetzt erst einmal nachgedacht werden; man wolle hier keine großen Menschenaufläufe, hieß es am Dienstag. Vorläufig darf der Bauer, der den Acker gepachtet hat, hier weiter pflügen.