Ruhrgebiet. . Die Konzernmanager der Bahn zittern vor dem nächsten Winter: Das Chaos von 2010 soll sich nicht wiederholen. Damit Fahrgäste sich nicht wieder am Bahnsteig die Beine steif frieren, setzt man auf eine neue Spezial-Einheit. Doch kann die wirklich helfen?

Sonntag, der vierte Advent 2010: ein schwarzer Tag für die Bahn. Es ist kalt. Es funktioniert nichts. Die Fahrgäste frieren sich die Beine steif. Weil die Flughäfen lahm liegen, sind die Züge überfüllt. Weil Eis in den Gleisen hochwirbelt, senkt man das Tempo. Weichen sind ohnehin vereist. In seiner Not empfiehlt das Staatsunternehmen der Kundschaft: bitte nicht den Zug zu nehmen – und schon gar nicht auf solchen ICE-Verbindungen wie zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin. Für die Fahrgäste sind diese Tage damals zu einer einzigen Gedulds- und Nervenprobe geworden. Für die Bahnmanager sind sie noch immer ein Trauma.

Jetzt steht die dunkle Jahreszeit 2012 bevor. Bahnchef Rüdiger Grube will, dass sich so ein vierter Advent und die peinliche Kapitulation vor dem Wetter nicht wiederholen. 70 Millionen Euro investiert das Staatsunternehmen in diesem Jahr, damit es im Herbst und Winter reibungsloser fahren kann. 300 Millionen sind es bis 2015. Wird das klappen?

Spezialzüge sollen Schmierfilm auf Schienen verhindern

Es gibt einen „Herbstbeauftragten“ des Konzerns namens Klaus Webering. Erstmals eingesetzte „Frost-Teams“ werden in NRW vereiste Türen und Bremsen warm machen. Erstmals sind auch alle 48 000 Weichen auf den Strecken mit Personenverkehr beheizt, ihre Nachrüstung ist besonders in den Regionen Dortmund und Paderborn nötig. Zwei Spezialzüge zur Schienenpflege rollen seit wenigen Tagen durchs Land, um den gefürchteten Schmierfilm mit Wasserdruck von 2000 bar wegzublasen. Werkstätten haben neue Drehbänke erhalten. In Köln wird die S-Bahn mit Sandstreuvorrichtungen ausgestattet.

In Wirklichkeit aber zittern sie im zweitgrößten Verkehrskonzern der Welt. In Berlin stehen 100 neue Talent-Nahverkehrszüge, gedacht auch für den Süden von NRW. Sie sind nicht betriebstauglich und haben schon „Standschäden“. Im Fernverkehr gibt es „nach wie vor Fahrzeugengpässe“.

Keiner im Unternehmen DB will derzeit die Garantie geben, dass sich das Drama von 2010 nicht wiederholt. Hamburg. Berlin. Besonders auch: das Ruhrgebiet. Diese drei Regionen machen den Bahnpolitikern im Bundestag Sorge. 1,6 Millionen Menschen sind alleine jeden Tag in Nordrhein-Westfalen auf der Schiene unterwegs.

Der Bahn fehlen Ersatzzüge

Die Opposition fordert den Abschied vom Prinzip, „auf Verschleiß zu fahren“, und die Konzentration auf die „Brot und Butter“-Strecken, auf die heimische Dienstleistung: auf so etwas wie den Knoten Köln, den Ausbau Dortmund, auf Oberhausen und Gelsenkirchen und Wanne. Wieso, fragt der grüne Ausschusschef Anton Hofreiter, muss die Bahn jedes Jahr 500 Millionen Euro an den Bundeshaushalt abführen, wo sie die Mittel selbst braucht? Seine Partei, die SPD und die Linken unterstützen mit Anträgen die Forderung nach dem Selbstbehalt. CDU-Mann Dirk Fischer zeigt seine Sympathie dafür. Der Bundesverkehrsminister prüft die Kündigung der Gewinnabführung offenbar ernsthaft.

Wo könnte das Geld gebraucht werden? Lothar Ebbers von der Fahrgastorganisation ProBahn in NRW bricht die politischen Forderungen in Berlin auf regionale Bedürfnisse herunter. Er kennt die Schwachstellen. Vor allem eine: „Ausreichende Ersatzfahrzeuge fehlen“, sagt er. Es ist das ungelöste Kernproblem. Weil die „Talent“ in der Rhein-Sieg-Region nicht eingesetzt werden können, würden dort sechs Loks und dreißig Doppelstockwagen zum Zug kommen, was die Reserve anderswo schmälert. Weil es an ICE-Zügen mangelt, wird es wohl wieder auf der Hauptroute durchs Revier auch bei den Regionalexpressen RE 1 und RE 6 zu Verspätungen kommen, denn die müssten die Ferngleise mit nutzen und sich zwischen verspätete ICE quetschen. Das kann wieder frierende Fahrgäste geben. Beim komplizierten System Bahn hängt eben alles mit allem zusammen.