Dortmund/Bochum/Köln/Frankfurt. . Die Occupy-Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte hat am Samstag auch NRW erfasst. Tausende Demonstranten gingen in Deutschland auf die Straße. Bei Protesten in Rom ist es zu Ausschreitungen gekommen. 70 Menschen wurden verletzt.

Zum ersten Mal haben am Samstag hunderttausende Menschen in aller Welt gegen die Macht der Banken demonstriert. In Deutschland beteiligten sich in gut 50 Städten etwa 40.000 Demonstranten, wie das globalisierungskritische Bündnis Attac schätzte. Allein in der Hauptstadt Berlin zogen zwischen 8.000 und 10.000 Kapitalismuskritiker zum Kanzleramt. Einige Hundert besetzten die Wiese vor dem Reichstagsgebäude. Abends errichteten sie rund zehn größere Zelte. Die Sitzblockade wurde nachts aufgelöst, dabei gab es Rangeleien. Zwölf Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen, elf Beamte erlitten leichte Verletzungen.

Regierungsgebäude in Rom in Brand gesetzt

In Rom und in London kam es am Rande der Demonstrationen zu Ausschreitungen bei denen laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa 70 Menschen verletzt worden sind. Drei von ihnen seien schwer verletzt, meldete Ansa aus der italienischen Hauptstadt. Demonstranten hatten einen Anbau des Verteidigungsministeriums in Brand gesetzt. Die Polizei ging in der italienischen Hauptstadt mit Wasserwerfern gegen die zum Teil vermummten Demonstranten vor. Aus dem Anbau des Ministeriums in der Via Labicana schlugen Flammen aus den Fenstern und aus dem Dach. Die Feuerwehr versuchte, den Brand unter Kontrolle zu bringen.

Italienischen Medienberichten zufolge gingen in Rom bis zu 200. 000 Menschen auf die Straße, um gegen die Macht der Banken zu demonstrieren. Schon kurz nach Beginn der Proteste wurden von einigen Teilnehmern Scheiben von Geschäften und Banken eingeschlagen. Später gingen auch mehrere Autos in Flammen auf. Demonstranten warfen Flaschen und Rauchbomben auf die Polizei und suchten dann immer wieder Schutz in der Masse der friedlichen Demonstranten.

Von den weltweiten Protesten nach dem Vorbild der US-Bewegung "Besetzt die Wall Street" waren die Demonstrationen in Rom die größten. "Es gibt nur eine Lösung: Revolution!", hieß es auf einem Plakat der Demonstranten, "Wir sind keine Guthaben in den Händen der Banker" auf einem anderen. Eine Gruppe trug einen aus Karton gefertigten Sarg mit dem Namen von Regierungschef Silvio Berlusconi darauf.

In Spanien, wo die Bewegung der Empörten bereits im Mai Protestlager auf dem zentralen Platz Puerta del Sol aufgeschlagen hatte, beteiligten sich am Abend nach Angaben der Veranstalter 300.000 Menschen an einer Demonstration. Auch in Städten wie Barcelona, Sevilla, Valencia und Malaga fanden Großkundgebungen statt. In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon hinderte die Polizei Demonstranten an der Erstürmung des Parlaments.

Mehrere tausend Menschen protestieren in NRW gegen Finanzsystem

Der Ärger über das internationale Finanzsystem hat in Nordrhein-Westfalen mehrere tausend Menschen auf die Straße getrieben. Allein in Köln beteiligten sich am Samstag nach Polizeiangaben etwa 1.500 Menschen an der Kundgebung. Der Demonstrationszug zog vom Chlodwigplatz durch die Stadt.

An die Massenproteste in Madrid erinnert in Bochum zwar nur die spanische Rockmusik aus den Boxen auf dem Aktionsbulli. Doch es sind immerhin rund 500 Teilnehmer, die am Samstagmittag auf dem Husemannplatz in Bochum dem Aufruf zum Aktionstag „Occupy Everywhere“ folgen. Vor der City-Filiale der Deutschen Bank prangert Knud Vöcking von der Umweltorganisation „Urgewald“ die Macht der globalen Märkte an. Dem Kasino-Kapitalismus und dessen Folgen müsse ein Ende bereitet werden: „Wir müssen deutlich machen, dass die Mehrheit die Nase davon voll hat, die Gier Weniger zu bezahlen. Wir können die Welt zum Tanzen bringen.“

Den größten Applaus erntet Stefan Nölle (Sozialforum), der an die Proteste im Sommer gegen einen Rede von Josef Ackermann im Schauspielhaus erinnert. Die öffentliche Kritik führte dazu, dass der Deutsche-Bank-Chef seinen Auftritt absagte.

In Bochum wird weiter demonstriert. Am Donnerstag wird um 16 Uhr erneut vor der Deutschen Bank zur nächsten Kundgebung aufgerufen.

Attac protestiert in Dortmund vor Deutscher Bank

Ortswechsel, Dortmund: „Großbanken haben abgesahnt – Jetzt sollen sie zahlen“. Die Aufschrift auf einem der Transparente macht das Ziel des weltweiten Occupy-Aktionstags deutlich: Weniger Macht für die Banken und die Einhaltung und Wahrung der Demokratie. Der Tag ist durch kleine und große Aktionen gekennzeichnet, die zum kollektiven Umdenken führen sollen. Eine Aktion ist der Protest der Dortmunder Attac-Gruppe vor der Postbankfiliale an der Reinoldistraße in der Dortmunder City.

Ein Straßentheater soll in Verbindung mit Flyern die Kunden darauf aufmerksam machen, dass die Postbank von der Deutschen Bank übernommen wurde. „Die Deutsche Bank spekuliert mit dem Hunger der Welt“, kritisiert Attac-Mitglied Till Strucksberg. „Die daraus resultierenden hohen Lebensmittelpreise bedeuten Hunger für Hunderttausende“.

Man will eine parallele Entwicklung zu einer bereits bestehenden Aktion erreichen, die auf ein neues Bewusstsein des Kundenverhalten abzielt: „Die Aktion ’Sauberer Strom’ bedeutet ja seit geraumer Zeit, dass sich die Verbraucher gegen Atomstrom und für die Stromgewinnung aus natürlichen Ressourcen entscheiden sollen. Mit dieser neuen Aktion sollen sich die Kunden der Banken für ‘saubere’ Banken entscheiden“, erklärt Strucksberg.

Die Reaktionen der Kunden zur Attac-Aktion fallen unterschiedlich aus: Von gleichgültigem Desinteresse bis zum informativen Kontakt ist alles vertreten. Auf der Seite der Postbankfiliale hält man sich bedeckt und verweist auf die Pressestelle. Ebenso verschlossen zeigen sich die Kunden, sowohl die interessierten als auch die desinteressierten.

Rund 3000 Menschen demonstrierten in Düsseldorf mit Sprechchören wie „Mach dich vom Acker, Mann“ gegen die Macht der Banken und soziale Ungerechtigkeit. Vor der Filiale der Deutschen Bank an der Kö stoppte der Zug für Statements der unterschiedlichsten Gruppen. Unter Transparenten mit Sprüchen wie „Empört Euch“ oder „Wir sind das Volk“ rief einer der Sprecher: „Es geht endlich wieder ein Ruck durch das Land, wir sind uns alle einig, so kann es nicht weitergehen.“

Protest gegen Macht der Banken

Die Proteste folgen dem Vorbild der "Occupy Wall Street!"-Bewegung in den USA; Samstag war ein weltweiter Aktionstag. In Deutschland erklärten sich die Gewerkschaften, aber auch Grüne, Linke und SPD solidarisch. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wertete den Aktionstag als Erfolg: "Der Funke ist übergesprungen, die Bewegung ist da." In mehr als 900 Städten in 82 Ländern hätten Teilnehmer "ihre Wut über die Macht der entfesselten Finanzmärkte auf die Straße getragen", hieß es.

Chronik der Finanzkrise

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    In Frankfurt wurde den Demonstranten ein Theaterstück mit dem Titel "Europa - eine griechische Tragödie" geboten. In Köln zogen etwa 1.500 Menschen durch die Innenstadt. Auf Transparenten forderten sie mehr soziale Gerechtigkeit. In Hamburg und Greifswald gingen ebenfalls mehrere Hundert Menschen auf die Straße. Auch in München kamen Hunderte Menschen friedlich zusammen. Sie führten Transparente wie "Jagt die Zocker vom Börsen-Hocker" und "Zwingt die Banken in die Schranken" mit. Einige streckten nach dem Vorbild arabischer Proteste Schuhe wurfbereit in die Höhe.

    Polizei stoppt Zeltaufbau vor Reichstag

    Bei der Kundgebung in Berlin hat die Polizei das Aufstellen von Zelten vor dem Reichstag verhindert. Beamte stoppten am späten Nachmittag Protestteilnehmer, die Zelte für einen längeren Protest zwischen Parlamentsgebäude und Bundeskanzleramt errichten wollten. Ein Polizeisprecher konnte zunächst nicht mitteilen, ob es dabei Festnahmen gab. In Berlin beteiligten sich am Samstag bis zu 10.000 Menschen an den Protesten nach dem Vorbild der US-Bewegung "Besetzt die Wall Street".

    Wikileaks-Gründer Assange bei Occupy-Protesten in London

    Auch Wikileaks-Gründer Julian Assange hat an den Londoner Protesten gegen die Macht der Banken und das Finanzsystem nach dem Vorbild der "Occupy Wall Street"-Bewegung in den USA teilgenommen. Am Samstag habe er den Landsitz seines Freundes Vaughan Smith verlassen und sei nach London gefahren. Assange plante, bis 22 Uhr zurück auf dem Anwesen im ostenglischen Suffolk zu sein, um seine Kautionsauflagen nicht zu verletzen, sagte Smith. Der Wikileaks-Gründer wehrt sich juristisch gegen seine Auslieferung nach Schweden, wo er sich wegen Vergewaltigungsvorwürfen verantworten soll.

    In Paris versammelten sich Hunderte Demonstranten vor dem Rathaus, in Brüssel zogen tausende Menschen durch die Straßen und warfen mit alten Schuhen auf die Börse. In Athen und Saloniki beteiligten sich insgesamt 5000 Menschen an friedlichen Protesten. Auch aus Sarajevo und Helsinki wurden Demonstrationen gemeldet.

    Zum Abschluss des Aktionstages trugen Tausende Anhänger der Bewegung Occupy Wall Street ihren Protest gegen die Macht der Banken am Samstagabend auf den New Yorker Times Square. "Die Banken wurden gerettet, wir wurden ausverkauft!", skandierten die Kundgebungsteilnehmer auf dem belebten Platz im Zentrum Manhattans. Zuvor waren Anhänger der Occupy-Bewegung mit Trommeln, Trompeten und Transparenten vor die New Yorker Niederlassung des Bankhauses Chase gezogen. Insgesamt wurden im Laufe des Tages in New York mehr als 80 Demonstranten in Polizeigewahrsam genommen. Auch in zahlreichen anderen US-Städten kam es zu kapitalismuskritischen Protesten.

    Mit Material von afp und dapd.