Hagen/Berlin. .
Der Protest war von langer Hand geplant. Den 15. Oktober hatte die spanische Bewegung „Democracia Real Ya!“ (Echte Demokratie jetzt) schon vor einiger Zeit zum globalen Protesttag gegen die herrschende Krisenpolitik erkoren. Die Anti-Banken-Proteste in den USA verleihen dem Tag nun großes Medieninteresse und eine ungeahnte Dynamik.
Kerstin Sack wird in Berlin sein. Erst bei einer „Krisen-Anhörung“ mit Vertretern der von der Schuldenkrise betroffenen Länder, dann demonstriert sie vor dem Kanzleramt „für ein solidarisches Europa“. Die Hagenerin ist Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Das internationale Treffen in Berlin wurde schon im Sommer beschlossen, „das können sie nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen“, sagt Sack. Das gilt auch für die Kundgebung gegen die EZB in Frankfurt, wo Attac die meisten Teilnehmer erwartet.
Aber die Anti-Banken-Proteste in den USA (Occupy Wall Street) haben binnen kürzester Zeit zahlreiche neue Initiativen entstehen lassen, lose zusammengehalten oft nur über das Internet. „Da sind oft Leute dabei, die sich noch nie engagiert haben“, weiß Sack, meist „Menschen, die sich im Internet bewegen“, auch deshalb wohl viele Piraten darunter. Sie heißen „Occupy Frankfurt“ , „Occupy Düsseldorf“ oder, nach dem spanischen Vorbild, „Echte Demokratie jetzt“. Der Protest aus dem Netz erobert nun auch in Deutschland die Straße. Allein Attac listet 48 deutsche Städte auf, in denen Aktionen geplant sind. „Leider nicht in Hagen“, bedauert Sack, aber das könne ja noch werden, später. Wer aus der Region protestieren wolle, könne dies in Dortmund, Bochum oder Wuppertal tun, empfiehlt sie. Größere NRW-Kundgebungen wird es in Düsseldorf und Köln geben, protestiert wird auch in Gießen, Marburg oder Kassel.
Inzwischen haben sich auch Linke und Grüne dem Protest angeschlossen, was Attac-Frau Sack zumindest im Fall der Grünen „nicht glaubwürdig“ findet, weil die Partei im Bundestag doch für den Euro-Stabilitätspakt gestimmt habe.
Denn der Protest in Europa und auch in Deutschland richtet sich besonders gegen die Politik der Europäischen Union in der Schuldenkrise, gegen den Stabilitätspakt und den darin geforderten strikten Sparkurs in den Schuldenstaaten. Die neuerlich geplante Bankenrettung werde der Bewegung weiteren Auftrieb geben, hofft Kerstin Sack. Die Regierung habe ihr Versprechen, die Banken stärker zu regulieren, nicht umgesetzt, „die Glaubwürdig der Politik steht auf dem Spiel“, glaubt Sack deshalb. Mit den Protesten würde „grundlegende Kritik“ artikuliert, und zwar „bis weit in die Mittelschicht und ins bürgerliche Lager“ hinein.
Selbst bei den bürgerlichen Parteien treffen die Proteste inzwischen auf Verständnis. So sagt der CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach: „Die Steuerzahler lassen Dampf ab, wenn Banken erneut auf ihre Kosten gerettet werden müssen. Das ist nachvollziehbar.“
In New York demonstrieren die Wall-Street-Kritiker schon seit Wochen gegen die Macht der Finanzindustrie, ungleiche Verteilung von Reichtum und Arbeitslosigkeit. Die angedrohte Räumung ihres Protestcamps im Zucotti-Park (benannt nach einem Spekulanten!) müssen sie aktuell nicht fürchten. Der Besitzer des Parks zog einen entsprechenden Antrag gestern zurück.