Duisburg. Schon Tage vor der Loveparade 2010 in Duisburg gab es Warnungen bei DerWesten vor einer Katastrophe: Nutzer befürchteten Tote, wenn es zu einer Panik käme. Der Zugang zum Loveparade-Gelände sei “eine riesige Falle“, hieß es. Doch kritische Fragen bei den Organisatoren waren unerwünscht.
Die Prophezeiungen lassen einen auch ein knappes Jahr nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und über 500 Verletzten erschaudern: „Wenn dann aus irgendeinem Grund da eine Panik ausbricht, dann gibt es Tote – und nicht wenige“, lautet der Kommentar von MadCat auf DerWesten vier Tage vor der Loveparade. Klotsche sieht ebenfalls „schon Tote“ und bezeichnet in seinem Kommentar den Zugang zum Veranstaltungsgelände als eine "riesige Falle“. Anlass für zahlreiche Warnungen ortskundiger Bürger vor der Loveparade ist der DerWesten-Artikel „Loveparade wird zum Tanz auf dem Drahtseil“.
Es ist Dienstag, der 20. Juli 2010. Hunderttausende Techno-Fans freuen sich auf die erste Loveparade in Duisburg am darauffolgenden Samstag. Im Rathaus werden die Sicherheitsmaßnahmen und die Verkehrs-Planung für die Veranstaltung präsentiert. Im Anschluss stellen sich Kersten Sattler von Lopavent und Duisburgs Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe im DerWesten-Gespräch.
Kritische Fragen zur Loveparade-Planung 2010 waren unerwünscht
Schnell wird klar: Kritische Fragen sind unerwünscht. Bedenken werden lapidar beiseite geschoben. Die konkrete Zahl, wie viele Besucher für das Güterbahnhof-Gelände laut Genehmigung der Stadt zugelassen sind, will Rabe aus „einsatztaktischen Gründen“ nicht nennen. Später stellt sich heraus: Zu dem Zeitpunkt gibt es noch keine Genehmigung der Stadt für die Loveparade.
Erst einen Tag später, am 21. Juli, genehmigt ein untergeordneter Mitarbeiter im Bauamt die Sondernutzung des Güterbahnhofs für die Loveparade. Dabei wird auf zwei dürren Seiten das Baurecht außer Kraft gesetzt. So dürfen die Fluchtwege schmaler ausfallen als im Gesetz vorgeschrieben. Wie aus dem Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft hervorgeht, war diese Genehmigung für die Loveparade formal rechtswidrig.
Was wusste Duisburgs Sicherheitsdezernent Rabe über die Probleme?
Kersten Sattler vom Veranstalter Lopavent erklärt am 20. Juli im Beisein von Sicherheitsdezernent Rabe 400.000 bis 500.000 Menschen könnten sich zeitgleich auf der abgesperrten Party-Fläche mit 230.000 Quadratmetern aufhalten. Dabei gab es schon einige Tage vorher eine Flucht-Analyse der Firma Traffgo HAT, die voraussetzte, dass maximal 250.000 Menschen auf dem Festgelände sein dürfen. Das ist die Besucher-Zahl, die letztlich auch von der Stadt Duisburg genehmigt worden ist.
Ein weiteres Thema des DerWesten-Interviews im Vorfeld war die Planung des Besucherstroms. Duisburgs Sicherheitsdezernent Rabe ging davon aus, dass die eine Million Techno-Fans nicht auf einmal, sondern über den ganzen Tag verteilt kommen würden. Ein Trugschluss, denn schon ab 13 Uhr herrschte dichtes Gedränge vor dem Nadelöhr Tunnel – dem einzigen Zugang zu dem Gelände. Von den angekündigten Maßnahmen, mit denen ein übergroßer Andrang „problemlos gesteuert“ werden könnte, war den gesamten Tag über nichts zu sehen.
Loveparade-Besucherzahlen gefälscht
Vielleicht hatte Rabe da schon im Hinterkopf, dass intern niemand bei den Organisatoren mit einer Million Besucher rechnete. Wie sich Wochen später herausstellte, waren sämtliche Besucherzahlen bei den vorangegangenen Loveparade-Partys gefälscht. Zur Ermittlung der „öffentlichen Besucherzahl“ wurde stets die Zahl der tatsächlich erwarteten Besucher um das Dreifache für die Öffentlichkeit gesteigert.
Doch selbst bei den geringeren, realen Menschenströmen versagten die Organisatoren auf ganzer Linie. Auch der Weg zum Veranstaltungsgelände geriet schon vor dem Unglück in die Diskussion. Auf DerWesten riet Kommentar wattearvolt: „Bleibt zuhause! Der einzige Zugang liegt in einem Tunnel und ist maximal 15 Meter breit“.
"Sardinen in der Dose"-Loveparade in Duisburg
Gonzo50 entschloss sich einen Tag vor der Loveparade auf die Teilnahme zu verzichten: „Zu groß sind die Sicherheitsbedenken, ich halte es für sehr gefährlich, so viele Menschen durch den langen Tunnel und einen einzigen Zugang schleusen zu wollen.“ Und Pelmen bezeichnet die Veranstaltung als „Sardinen in der Dose“-Loveparade. Tragischerweise sollten die warnenden DerWesten-Nutzer Recht behalten.
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