Eslohe. Zwei Jugendliche zünden sich an, wollen so aus dem Leben scheiden. Für den 16-jährigen Jungen kommt jede Rettung zu spät, das Mädchen überlebt schwer verletzt. Ganz Eslohe fragt sich nach dem Warum. Auch auf Facebook nehmen Freunde Anteil.

Der kleine Ort Eslohe rätselt weiter. Unter den Jugendlichen gibt es derzeit kein anderes Thema: Warum haben sich zwei Jugendliche am Dienstag offenbar selbst angezündet und wollten so aus dem Leben scheiden? Für den 16-Jährigen kam jede Hilfe zu spät. Das 13-jährige Mädchen liegt mit schwersten Verbrennungen in einer Spezialklinik.

Gerüchten im Ort, auch sie sei ihren schweren Verletzungen erlegen, wies die Staatsanwaltschaft Arnsberg am Donnerstagmittag zurück. Aber das Mädchen schwebt weiter in Lebensgefahr. Es kann von der Polizei derzeit nicht vernommen werden.

Gerüchte geistern durch den Ort

Und so geistern weiter Gerüchte über das mögliche Motiv durch die sauerländische Gemeinde mit ihren rund 10.000 Einwohnern. Demnach könnten Beziehungsprobleme zu der Tat geführt haben. Ob die beiden ein Paar waren, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.

Schüler legen Blumen und Kerzen an die Stelle, an der sich ihre Freunde bei lebendigem Leib angezündet haben. Sie haben kleine Briefe geschrieben. „Ich werde dich nie vergessen. Du warst mein bester Freund und immer für mich da. Bitte pass auf dich und deine Familie auf“, ist da zu lesen. In der Mitte der Name des Jungen auf einem eingeschweißten Blatt Papier. Etwa zwei Meter entfernt steht eine einzelne Kerze im versengten Gras. Mitten in diesem schwarzen Fleck Stofffetzen, der Teil einer lila Halskette. Die Anteilnahme ist groß. „Der ganze Ort ist zutiefst erschüttert. Man kannte sich ja“, sagt die Besitzerin eines Eiscafés an der Esloher Hauptstraße fassungslos. In den Gesichtern der Passanten spiegelt sich der Schock.

Bei Facebook bringen Mitschüler, Freunde und Bekannte auf dem Profil des verstorbenen 16-Jährigen ihre Trauer und Gefühle zum Ausdruck.

Freunde und Bekannte geschockt

Einer schreibt: „Auch wenn wir alle es nicht verstehen...du wirst deine Gründe gehabt haben... aber hätte man die auch nicht anders aus dem Weg schaffen können?“ Und ein anderer gibt seiner Fassungslosigkeit Ausdruck: „Ich kannte dich nur glücklich und fröhlich. Du warst immer am lachen, warst immer nett zu einem, man hat dir nie was angesehen. Warum tust du das deinen ganzen Freunden und deiner Familie an, weißt du wie sehr du alle verletzt hast? Für jedes Problem gibt es eine Lösung.“

Aber längst nicht alle jungen Esloher finden diese Art der Anteilnahme richtig und gut. „Ich finde es unglaublich, was bei Facebook alles für Gerüchte in die Welt gesetzt werden“, sagt ein 19-Jähriger (Name der Redaktion bekannt). „Das können die Leute von mir aus unter sich diskutieren, aber sie sollen nicht die wildesten Spekulationen in den Raum werfen.“

Beziehungsprobleme?

Die Polizei wertet derzeit die Computer der beiden jungen Menschen aus. Einen Abschiedsbrief soll es nicht geben. Dafür existiert ein möglicher Hinweis im sozialen Netzwerk Facebook. Der vorletzte eigene Eintrag des Jungen auf seinem Facebook-Profil an jenem tragischen Dienstag war ein Link auf ein Video des Rappers Flamur mit dem Titel „Der letzte Tag“.

Die beiden sollen sich am Dienstagnachmittag mit Benzin übergossen und anschließend angezündet haben. Ein Augenzeuge hatte die beiden entdeckt und schlug Alarm. Die Staatsanwaltschaft geht momentan davon aus, dass keine Dritten an der Tat beteiligt waren. „Allerdings prüfen wir das derzeit noch ab“, sagte Oberstaatsanwalt Werner Wolff gegenüber DerWesten.

Die Familien der Jugendlichen und die Mitschüler werden derzeit von Psychologen betreut. Die Schulen haben ihren normalen Unterrichtsbetrieb wieder aufgenommen. Pastor Johannes Insel, der für die seelsorgerische Begleitung der Angehörigen und Mitschüler der Opfer zuständig ist, versichert: „Wir werden den Schülern weiterhin zur Seite stehen, ihnen Raum zum Reden aber auch zum Schweigen geben.“

Dr. Ingo Spitczok von Brisinski, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Viersen, bezeichnet den Fall als außergewöhnlich. Dass sich Jugendliche selbst anzünden, um aus dem Leben zu scheiden, komme sehr selten vor. „Das kennen wir eigentlich nur von Erwachsenen.“

„Außergewöhnlicher Fall“

Dagegen kommen Selbstmorde bei Jugendlichen ähnlich häufig vor, wie bei Erwachsenen, sagt Spitczok von Brisinski, der Vorstand im Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland ist . Gerade Jugendliche in der Pubertät seien in dieser Phase der Hormonumstellung sehr instabil, leiden unter extremen Stimmungsschwankungen. „Die Impulskontrolle ist dann nicht so vorhanden. Es kommt eher zu Kurzschlusshandlungen.“

Frühe Schwangerschaften, eine unglückliche Liebe, Mobbing, ein schlechtes Schulzeugnis - all das können Motive sein, warum ein junger Mensch seinem Leben ein Ende bereiten will. Dabei wählen, so Spitczok von Brisinski, Jungen häufig „härtere Methoden“ als Mädchen. Mädchen überleben deshalb Suizid-Versuche häufiger.