Hannover. Das haben viele Autofahrer schon erlebt: Aus dem Nichts tritt nachts ein Fußgänger auf die Straße. Da heißt es schnell reagieren. Diese Gefahrensituation soll bald ein Fahrassistent beseitigen, an dem am Institut für Mikroelektronische Systeme geforscht wird. Das System muss extrem schnell arbeiten.
Ein Autofahrer steuert nachts auf eine Ortschaft zu. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Fußgänger auf, durch die schwarze Jacke kaum zu erkennen. Eine typische Situation, bei der der Autofahrer möglicherweise zu spät bremst und den Fußgänger überfährt. Das aber könnte ein automatischer Fahrassistent schon bald verhindern, ist sich Christian Banz vom Institut für Mikroelektronische Systeme in Hannover sicher.
Ein solcher Assistent scanne über Hochleistungskameras die Straße nach Fußgängern ab und bremse, wenn der Fahrer es nicht rechtzeitig tue, erläutert Banz die Technik zur automatischen Fußgängererkennung. Im Forschungsprojekt "Propedes" wurde sie fünf Jahre lang entwickelt. Ende vergangenen Jahres wurde ein Prototyp präsentiert. Er soll nun von der Automobilindustrie für ein Serienmodell weiterentwickelt werden.
Beteiligt an dem Vorhaben waren neben der Universität Hannover unter anderem die Unternehmen Daimler und Bosch. Das Bundesforschungsministerium förderte "Propedes" mit 5,5 Millionen Euro.
"Schon ab 2015 könnten erste Fahrassistenten in der EU Pflicht werden", sagt Holger Blume, Leiter der Forschungsgruppe in Hannover. Eine entsprechende EU-Norm werde erwartet. Immerhin machten Fußgänger und Radfahrer ein Viertel aller Unfalltoten auf Europas Straßen aus. Gerade sie sollten durch das System besser geschützt werden.
Kameras scannen Straße in 3D
Dafür werden hinter dem Rückspiegel im Auto zwei Hochleistungskameras installiert, die wie menschliche Augen die Straße im 3D-Format nach Fußgängern abtasten. "Wir verwenden verschiedene Systeme, wie Video-, Infrarot- oder Radartechnik, die für die Straßenaufnahmen auch miteinander kombiniert werden können", erklärt Blume. Dadurch können Fußgänger auch nachts und bei Nebel aufgenommen werden, wenn sie am schwierigsten zu sehen sind.
Die Kameras filmten die Straße auf einer Entfernung von 120 Meter und zeichneten etwa 30 Bilder pro Sekunde auf, sagt Blume weiter. Die Forscher hätten jedoch vor der besonderen Schwierigkeit gestanden, die aufgenommenen Bilder "in Echtzeit" auszuwerten und Fußgänger augenblicklich festzustellen, erläutert Banz. Dafür seien hochleistungsfähige Chips und Prozessoren entwickelt worden, die die aufgenommenen Straßenbilder kontinuierlich und in Sekundenbruchteilen auswerteten. Ein normaler Hauscomputer bräuchte für die Verarbeitung der gleichen Datenmenge etwa vier Sekunden.
"Das ist für die Straße natürlich viel zu langsam", sagt Banz. Außerdem verfüge ein Auto auch nicht über den notwendigen Stauraum für einen gebräuchlichen 400-Watt-Hausrechner. Die in Hannover gebauten Spezialchips arbeiten hingegen nur mit acht Watt und sind klein genug, um sie ins Cockpit einbauen zu können.
Fahrassistent schlägt Alarm
Innerhalb von Millisekunden werden alle aufgenommen Bilder mit einer auf dem Chip hinterlegten Datenbank abgeglichen. Darauf sind die "Eigenschaften von Fußgängern" abgespeichert, wie Banz erklärt. Auch Radfahrer können durch den Abgleich erfasst werden. Wird beim Vergleich der Straßen-Scans mit der Datenbank auf dem Chip ein Mensch erkannt, schlägt der Fahrassistent Alarm.
Sogenannte passive Fahrassistenten reagierten dann mit einem Warnsignal, wie etwa einem Achtungssignal oder einem Tuten, erklärt Blume. Der Fahrer muss in diesem Fall aber immer noch selber bremsen. "Wahrscheinlich stehen passive Fahrassistenten ab 2015 zur Verfügung", sagt Blume. Aktive Fahrassistenten greifen hingegen mit einem automatischen Bremsvorgang in die Gefahrensituation ein und könnten in ein paar Jahren im Einsatz sein.
Und das wohl mit spürbarem Erfolg: Als der Fahrassistent im Dezember getestet wurde, sei es ihm kein einziges Mal gelungen, einen Fußgänger-Dummy zu überfahren, sagt Blume. Obwohl er mit Vollgas auf die Figur zugerast sei, habe ihn das System jedes Mal rechtzeitig gestoppt. (dapd)