Essen. Durch den Elchtest errang Mercedes mit der 1997 vorgestellten A-Klasse traurige Berühmheit. Der Wagen kippte damals um. Und das auch noch vor Auto-Journalisten. Mercedes reagierte und verbaute fortan das Stabilitätssystem ESP. Andere Autohersteller zogen nach - nicht immer ganz freiwillig.
1997 fiel die neue Mercedes A-Klasse beim Elchtest genannten Ausweichmanöver schwedischer Automobiljournalisten um. In der Folge kippte das eherne Gesetz, dass sich neue Sicherheitstechnik im Autobau nur mit der Geschwindigkeit einer Schnecke von der Ober- in die Unterklasse verbreitet, getreu dem Motto: Wenn Du arm bist, musst Du früher sterben.
Denn Daimler-Benz tat damals das für unmöglich Gehaltene, um seinen teuren Einstieg in die Golf-Klasse zu retten. Die A-Klasse wurde als Schleuderschutz mit dem elektronischen Stabilitätssystem (ESP) ausgerüstet, das es zuvor nur im Luxuscoupé CL gegeben hatte. Innerhalb kürzester Zeit mussten andere nachziehen, teilweise gezwungenermaßen wie Audi. Der Golf erhielt in der Folge bereits 1999 ESP als Serienausstattung. Mit den rapide steigenden Stückzahlen sank der Herstellungspreis drastisch auf heute nur noch rund 200 Euro.
Ford Focus mit 17 Assistenten
Keine 15 Jahre nach dieser Revolution glänzt der Ford Focus als Vorreiter in der Brot-und-Butter-Klasse mit dem Angebot von 17 Assistenzsystemen, nicht unbedingt schlechter als das, was ein CL 2012 zu bieten hat.
Die anderen bahnbrechenden Sicherheitsmaßnahmen hatten viel länger gebraucht, um sich durchzusetzen: Der vergleichsweise simple Dreipunktgurt brauchte 20 Jahre von seinen Anfängen als Serienausstattung bei Volvo in Schweden bis zur verpflichtenden Serienausstattung auf allen Plätzen für alle neuen Pkw in Deutschland im Jahr 1979. Zu dem Zeitpunkt rollten noch viele Neuwagen noch ohne die 1953 bei Jaguar eingeführten Scheibenbremsen vom Band.
Das 1978 von Bosch erfundene elektronische Antiblockiersystem startete als teures Extra in der S-Klasse und brauchte über 25 Jahre, um in Europa Standard zu werden. Und der Airbag? Kostete 1981 in der Mercedes S-Klasse als Extra über 1500 DM, ging auf den langen Marsch durch die Instanzen und war 1992 zumindest als Extra im Golf angekommen. Den Airbag auf allen Plätzen gibt es aber heute noch lange nicht.
Serienmäßige Sicherheitstechnik
Das „neue Ding“ der Sicherheitstechnik ist die automatische Kollisionsvermeidung mit selbsttätiger Vollbremsung. Bei Ford heißt das lasergestützte System Active City Stop. Es soll Kollisionen bis 15 km/h vermeiden und bis Tempo 30 km/h die Unfallfolgen bei einem Aufprall erheblich verringern.
Es funktioniert tatsächlich wunderbar und kostet im Paket beim Focus 900 bis 1375 Euro. Zieht man den Wert der anderen Paketbestandteile ab, bleibt ein Aufpreis von weniger als 250 Euro – ein Bruchteil der Kosten eines kleinen vermeidbaren Unfalls, eines klassischen Augenblickversagens, das man verhindern kann, so lange ein Mensch noch die Fahrmaschine steuert.
Knapp die Hälfte der Focus-Käufer entscheidet sich für Active City Stop. Das ist einerseits viel, beweist aber andererseits wieder einmal, dass Sicherheitstechnik sich am schnellsten verbreitet, wenn sie nicht als Extra, sondern serienmäßig angeboten wird.
In nicht allzuferner Zukunft werden Kollisionswarner auch zuverlässig Fußgänger aufspüren, die über die Straße laufen, so wie Kameraaugen bereits jetzt sehr zuverlässig Verkehrsschilder aufspüren und erkennen. Schon jetzt machen Abstands- und Spurhalteautomatik mit Lenkeingriff ein Fahren ohne menschliches Zutun möglich, zumindest für ein paar Sekunden. Denn dann schaltet das System ab und zwingt dazu, dass Steuer in die Hand zu nehmen. Irgendwann wird man fragen: Warum eigentlich?