Essen. Wer mit dem Auto durch Deutschland fährt, der könnte voraussichtlich schon im März erste Begegnung mit den so genannten Gigalinern machen. Zwar ist NRW von dem gerade gestarteten Feldversuch ausgenommen, das Testgebiet für die Riesen-Lkw beginnt jedoch direkt hinter der Landesgrenze.

Der Gigaliner ist im kompletten nordrhein-westfälischen Straßennetz ausgesperrt. Dafür hat die rot-grüne Landesregierung gesorgt. Vielen Autofahrern von Rhein und Ruhr wird in diesem Jahr - voraussichtlich ab März - die Begegnung mit den 25,25 Meter langen Riesen-Lkw aber nicht erspart werden. Sobald sie die Landesgrenzen von Niedersachsen und Hessen überfahren oder in anderen Regionen Deutschlands unterwegs sind, werden sie die Testfahrzeuge fast überall antreffen.

In der zum Jahresende vom Bundesverkehrsministerium veröffentlichten Verordnung ist, anders als in ersten Erwartungen, das „gesamte Straßennetz“ in Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen für die Gigaliner freigegeben. Auch in Baden-Württemberg können sie die Autobahnen A 3, A 7 und A 96 auf einer Gesamtlänge von 130 Kilometern für den Transitverkehr nutzen, dürfen aber die Schnellstraßen nicht verlassen.

In Rheinland-Pfalz sind die Gigaliner auch verboten

Eine der Verordnung angehängte Liste zeigt, dass die den Lkw erlaubte Autobahnnutzung unmittelbar hinter der NRW-Grenze beginnt: Im Norden auf der A 1 bei der Anschlussstelle Osnabrück-Nord, auf der A 2 bei Bad Eilsen, auf der A 31 ab Autobahnkreuz Schüttorf und der A 33 ab Dissen-Süd. Ruhrgebiets-Fahrer, die nach Osten oder Südosten unterwegs sind, können auf der A 44 ab Landesgrenze und der A 45 zwischen der Grenze zu Hessen hinter Siegen den Schwerlastern begegnen. Nur für Rheinland-Pfalz gilt eine Regelung wie in NRW - Becks Bundesland ist für die Giga-Liner tabu.

In der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) hat das Warten begonnen. Seit Montag können hier Speditionen ihren Antrag zur Teilnahme an dem fünf Jahre dauernden Feldversuch abgeben. „Noch ist keiner eingetroffen“, sagte eine Sprecherin der WAZ, verwies aber auf die kurze Zeit, die seit dem Startdatum verstrichen ist. Die Bundesregierung rechnet mit 400 teilnehmenden Fahrzeugen.

Bisher ist Lkw allenfalls eine Länge von 18,75 Metern erlaubt. Mehr Gewicht dürfen die neuen, über sechs Meter längeren Gigalinern aber auch nicht mitschleppen: Es bleibt bei der Grenze von 44 Tonnen pro Fahrzeug.

Sorge vor steigenden Unfallzahlen

Dennoch laufen rot-grüne Landesregierungen, Autoclubs wie ADAC und ACE und verschiedene Verkehrs- und Umweltverbände Sturm gegen den Feldversuch. Sie kritisieren, dass das Verhalten der Super-Lkw in engen Baustellenbereichen noch völlig unerforscht ist. Auch hätten viele Pkw-Fahrer Beklemmungen beim Überholen. Beides könne zu mehr Unfällen führen. Außerdem könnten die Fahrzeuge ohnehin angeschlagene Brückenbauwerke noch weiter belasten. Im Hintergrund der Auseinandersetzung steht die Befürchtung, dass der Bahn zu starke neue Konkurrenz entsteht und damit die umweltpolitisch erwünschte Vorgabe des Vorrangs für die Schiene in Frage gestellt wird.

Umweltpolitisch argumentieren aber auch die Verfechter der Super-Laster. In einer Bilanz eines in Niedersachsen durchgeführten Versuchs heißt es, die Lkw würden bei 25 Prozent höherem Verbrauch 50 Prozent mehr Last befördern können. Das wäre ein klarer Spareffekt. Und zum Sicherheitsaspekt: Die Fahrer würden extra geschult.

Feldversuch wird mit Begleitfahrten beobachtet

Die Bundesanstalt für Straßenwesen wird den Feldversuch, der in drei Phasen verläuft, mit Begleitfahrten beobachten. Außerdem sind nicht nur die Befragungen der Fahrer vorgesehen, sondern auch „Interviews mit anderen Verkehrsteilnehmern“. Ermittelt wird auch, ob die sicherheitstechnische Ausstattung zum Beispiel mit Bremsen ausreichend ist und wie sich Gigaliner bei Bränden in Tunnelbauwerken verhalten. Im Sommer 2016 soll das Ergebnis vorliegen.

Ob es soweit kommt, liegt aber noch am Ausgang eines Rechtsstreits vor dem Bundesverfassungsgericht, den die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen angefacht haben. Sie fühlen sich vom Bundesverkehrsminister übergangen, weil er Bundestag und Bundesrat nicht befragt hat, sondern den Feldversuch lediglich per Verordnung ermöglicht.