Nürnberg. Müssen Eltern haften, wenn ihr Kind mit dem Fahrrad ein Auto beschädigt? In einem Fall am Münchner Amtsgericht fiel die Entscheidung zu Gunsten der Eltern. Die Aufsichtspflicht der Erziehungsberechtigten sei nicht verletzt worden.
Ein Vater verletzt nicht seine Aufsichtspflicht, wenn er seiner fünfjährigen Tochter beim Weg in den Kindergarten erlaubt, die letzte Strecke dorthin alleine auf dem eigenen Rad voranzufahren. Vielmehr gehört es gerade zu den Erziehungspflichten von Eltern, ihren Kindern bewusst Freiräume zu gewähren, damit sie mit alltäglichen Gefahrensituationen selbstständig umzugehen lernen. Das stellte das Amtsgericht München in einem jetzt rechtskräftigen Urteil (Aktenzeichen: Amtsgericht München 122 C 8128/10) klar, wie die Deutsche Anwaltshotline in Nürnberg mitteilte.
Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht?
In der gerichtlichen Auseinandersetzung ging es um einen Schaden in Höhe von 1.350 Euro an einem Auto. Bei der Vorbeifahrt des Pkw war das Rad dem vor dem Kindergarten stehenden Mädchen offenbar aus der Hand gerutscht und auf den Wagen gefallen. Dabei wurden beide linke Fahrzeugtüren erheblich verschrammt.
Die Reparaturkosten dafür wollte die Autofahrerin vom Vater der jungen Radlerin ersetzt haben. Schließlich sei er nach eigener Aussage dem Kind auf der letzten Wegstrecke zum Kindergarten hinterher geradelt und habe so im Augenblick des Unfalls in das Geschehen nicht mehr eingreifen können. Damit läge zweifellos eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht vor.
Vater konnte Unfall nicht verhindern
Dem widersprach das Gericht. Rechtsanwalt Alexander Taubitz erläutert die juristische Sichtweise: "Bei Kindern bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter. Eltern müssen nur das tun, was vernünftigerweise in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen notwendig ist, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu vermeiden." Das fünf Jahre alte Mädchen sei jedoch bis zu dem Malheur schon zweieinhalb Jahre selbst Rad gefahren - unfallfrei; zwei Jahre davon den täglichen Weg zum Kindergarten.
Zwar bedürfe es laut Münchner Richterspruch einer Aufsicht nichtschulpflichtiger Kinder, sagt Rechtsanwalt Taubitz. Doch der Vater hätte bei dem Getümmel vor dem Kindergarten den Unfall auch nicht verhindern können, wenn er in Sichtkontakt zu seiner Tochter gewesen wäre. Man könne nicht verlangen, dass ein Elternteil permanent die Lenkstange des Rades seines Kindes halte. (dapd)