Berlin. . Die Einführung der neuen Kraftstoffsorte läuft alles andere als super. Nun fordern erste Politiker die Abschaffung des Biosprits E10. Bundeswirtschaftsminister Brüderle sucht mit einem Benzingipfel Wege aus dem Desaster.
Der Widerstand aus Politik und von Umweltverbänden gegen den problematischen Bio-Kraftstoff Super E10 nimmt zu. Erste Koalitionspolitiker wollen den neuen Sprit möglichst schnell loswerden. Der Vorsitzende der CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Ferber, sagte am Freitag: „E10 wieder abzuschaffen, wäre die effektivste Klimapolitik für Mensch, Fahrzeug und Umwelt.“
Der Unionsobmann im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU), sprach sich ebenfalls für dessen Abschaffung aus. „Mittelfristig halte ich den Einsatz von reinen Pflanzenkraftstoffen für sinnvoller“, sagte Göppel der WAZ-Mediengruppe. Kurzfristig könne man auf E10 aber nicht verzichten. Göppel plädierte für den Einsatz reiner Biokraftstoffe bei Speditionen und in der Landwirtschaft. Auch so könne der Bund die EU-Vorgabe erreichen, wonach bis 2020 zehn Prozent der Energie im gesamten Transportsektor aus erneuerbaren Quellen stammen müssen.
Benzingipfel am Dienstag
Am Donnerstag hatte die deutsche Mineralölbranche die weitere Einführung von E10 verlangsamt, um die Autofahrer besser an das neue Produkt heranzuführen. Der Schritt hatte massive Kritik des Bundesumweltministers und der Bauern hervorgerufen. Am kommenden Dienstag wollen Vertreter der Bundesregierung, der Industrie und der Wirtschaftsverbände auf einem Benzin-Gipfeltreffen Wege aus dem Chaos bei der Einführung finden.
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Seit Beginn der E10-Einführung verweigern Millionen deutscher Autofahrer den neuen Treibstoff, obwohl ihre Autos technisch dafür zugelassen sind. Weil viele Fahrer stattdessen das hochwertige Superplus in den Tank füllen, gerät die Ölindustrie in Probleme: Sie kann nicht genug Superplus liefern und die Lagertanks voll E10 laufen fast über. Deshalb werden vorerst keine weiteren Raffinerien mehr aus E10-Produktion umgestellt.
Umweltminister sauer auf Industrie
Die Sprecherin des Umweltministeriums, Christiane Schwarte, wies der Mineralölwirtschaft die Schuld an dem Kommunikationsdesaster zu. „Sie hat sich nicht genügend an der Aufklärung beteiligt.“ Schwarte bestätigte, dass es bei der Einführung des E10-Benzins bleiben solle.
Schwarte formulierte, man werde „die Wirtschaft an die Hand nehmen“, um Lösungen zu finden, die Verbraucher besser aufzuklären. Sie nannte es „nicht hinnehmbar“, dass die Wirtschaft drohe, eventuelle Strafzahlungen bei Nichterfüllung der Quote auf die Verbraucher umzulegen.
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner nannte den vorläufigen Stopp der E10-Einführung ein Fiasko für die Benzinbranche. Der Bauernpräsident forderte, sofort E10-Verträglichkeitslisten an allen Tankstellen auszulegen. So werde klar, dass der Kraftstoff für die meisten Automodelle geeignet sei. Die Bauern erzeugen die Grundstoffe des Ethanols, das zu 10 Prozent im Sprit E10 ist ihm den Namen gab. Die Landwirte gelten als die großen Profiteure der Einführung von E10.
Fehlende Informationen beklagt
Der CSU-Europaabgeordnete Ferber nannte E10 umweltpolitischen Unsinn. Der CDU-Energieexperte im Europäischen Parlament, Herbert Reul, sagte: „Der Einsatz von E10 war überstürzt und ist falsch verstandener Klimaschutz auf dem Rücken der Autofahrer. Je eher E10 von den Tankstellen verschwindet, desto besser.“
Der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Patrick Döring sagte: „Die Autokonzerne müssen endlich genau und rechtsverbindlich mitteilen, welche Modelle E10 vertragen. Ansonsten ist E10 zum Scheitern verurteilt.“
Die EU-Kommission stellte klar, dass es keine Verpflichtung zur Einführung des Biosprits E10 in Europa gibt. Es sei alleine die Entscheidung der Bundesregierung, ob sie Pkw-Benzin mit einem Ethanol-Anteil von zehn Prozent einführe oder nicht, sagte Kommissionssprecher Joe Hennon.
Die Kraftstoffrichtlinie von 2009 legt allerdings das Ziel fest, dass bis 2020 zehn Prozent der Energie im gesamten Transportsektor aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Wie die Staaten dieses Ziel erreichen, ist ihre Sache.
Expertin hält Befürchtungen für ungerechtfertigt
DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert kritisierte dagegen, der Einführungsstopp sei nicht akzeptabel. „Wir brauchen den Biokraftstoff E10, denn wir müssen dringend wegkommen vom Öl“, sagte sie und monierte die Informationspolitik der Bundesregierung. „Die Regierung hat die Verbraucher nicht gut genug informiert“, sagte sie.
Der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger, sagte dagegen: „Mit dem Anbau von Energiepflanzen versucht man, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, statt Klimaschutz zu praktizieren.“ Der Automobilbranche müssten klare Vorgaben gemacht werden, den Treibstoffverbrauch bei Neuzulassungen drastisch zu reduzieren.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte: „Die Einführung von E10 ist eine Informationspanne der Regierung erster Klasse. Ich habe Verständnis dafür, dass die Autofahrer in Deutschland an den Zapfsäulen verunsichert sind. Das vorläufige Scheitern von E10, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein wirkungsvoller Beitrag des Verkehrssektors zum Klimaschutz vor allem durch andere Maßnahmen eingeleitet werden muss. Dazu gehören spritsparende Automobile, ein Tempolimit auf Autobahnen, Förderung der Elektromobilität, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und intelligente Verkehrskonzepte wie Car Sharing.“
Der Umweltverband NABU fordert, dass beim „Benzin-Gipfel“ auch Umweltverbände mit am Tisch sitzen müssen, weil die Probleme mit dem „Biosprit“ sonst wieder nur verkürzt diskutiert werden und sich auf die reine Motorverträglichkeit konzentrieren. (we/dapd)