Essen. "Ein guter Journalist macht sich nicht mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten", schrieb Hanns Joachim Friedrichs, Fernsehreporter-Legende und langjähriger Tagesthemen-Moderator, allen Journalisten ins Stammbuch. Daran sollte eine Testfahrt mit dem jüngsten Bugatti nicht rütteln.

Nur 150 Grand Sport sollen für 1,4 Millionen Euro netto verkauft werden, und auf einen Käufer kommen zehn Interessenten oder Journalisten, die einen probefahren dürfen. Viele sind also nicht auserwählt, einmal mit 1000 PS und maximal 360 km/h offen fahren zu dürfen. Noch schneller geht es bei aufgesetzter Dachschale.

Und natürlich ist es ein beinahe übernatürliches Erlebnis. Der Veyron beschleunigt auf 100 km/h unter drei Sekunden - so schnell wie ein aus dem Fenster geworfener Stein auf seinem Weg nach unten. Oder wie ein 150-PS-Superbike mit einem sehr guten Fahrer, der das aus seinem Motorrad auch wirklich herauskitzeln kann, was der Bugatti aus dem Handgelenk schüttelt. Das Beschleunigungsvermögen liegt an der Grenze des physikalisch Machbaren, solange der Antrieb über die Räder geht. Das Bremsvermögen auch. Hast Du bei der Testfahrt deines Lebens Schnupfen, zieht es Dir alles aus der Nase.

Nicht so hart, wie man es befürchten muss

Bei allem ist der Veyron nicht so hart, wie man es befürchten muss. Man kann mit ihm cruisen und es genießen. Man kann weniger als 18 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen anstatt von 80. Das Auto rädert einen nicht. Es animiert auch nicht zum Rasen. Es hat Stil. Der Innenraum ist fast schön nüchtern ausgestaltet, teutonisch schlicht. Das hätte bei Ettore Bugatti anders ausgesehen.

Der Gurtwarner klingt wie bei Audi, auch die Hupe klingt normal. Und das Navi steckt wie der Bildschirm der Heckkamera im Außenspiegel, wie beim Artega GT. Von beidem sieht man im Cabriobetrieb, wenn die Sonne den Inneraum flutet, nicht viel bis gar nichts. Einzige Unkonstruktion: Die Uhr muss man im Handschuhfach einstellen. Auf das PS-Meter könnte man auch verzichten, meistens schlägt es sowieso nicht aus.

Die Rundumsicht ist bescheiden. Es sitzt sich ultratief in einer ohne Spiegel schon zwei Meter breiten Wanne mit sehr hoher Gürtellinie. Rangieren ist Glücks- und Gefühlssache. Im 50 Liter kleinen Ablagefächlein unter der Fronthaube steckt eine Regenschirm-artige Konstruktion, die sich zu einem Notfaltdach für alle Wetterfälle aufspannen lässt. Damit dieses Dach nicht fliegen geht, ist das Tempo limitiert. Dachlos werden Geschwindigkeiten von 250 km/h nicht zur Tortur, ist die Öffnung und damit die Verwirbelung tatsächlich so groß wie beim klassischen Porsche Targa mit fester Heckscheibe.

Trotz des Leichtbaus mit allen möglichen technischen Schikanen wiegt der Veyron viel. Weniger als ein McLarenMercedes SLR, aber das ist ja angesichts des schwäbischen Übergewichts kein Wunder. Aber deutlich mehr als Porsches Carrera GT. Der hat aber keinen Allradantrieb, drei Liter Hubraum und sechs Zylinder weniger. Der W-förmig gebaute Sechzehnzylinder ist der Rucksack, den der Veyron schultern muss.

Wie bei allen Supersportwagen hinterlässt auch die eindrücklichste Fahrt mit dem schnellsten, ausgewogensten, exklusivsten, meinetwegen besten Vertreter seiner Art eine Leere. Was gab es vor dem Veyron eigentlich wirklich zu beweisen? Dass die Lust am Autofahren irrational ist? Wahrscheinlich sind die, die jetzt in Indien einen Tata Nano zugelost bekommen, glücklicher, als es jeder Veyron-Fahrer je sein wird.