Essen. . Weil ihr eine frühere Präsidentengattin als Talk-Gast abhanden gekommen war, ließ Sandra Maischberger in der ARD über den Mohammed-Film und die Folgen diskutieren. Leider keine gute Idee.
Weil ihr eine frühere Präsidentengattin als Talk-Gast abhanden gekommen war, ließ Sandra Maischberger in der ARD über den Mohammed-Film und die Folgen diskutieren. Leider keine gute Idee.
Nein, das ist nicht Bettina Wulff, die da gelangweilt im Sessel hockt! Die Ex-First-Lady der Republik ist offenbar der eigenen PR-Kampagne überdrüssig geworden und statt in Talkshows über ihren Beziehungsstress mit dem Gatten und anschließende Therapierungsversuche zu plaudern, hat sie kurzerhand alle TV-Auftritte gestrichen. Vielleicht macht sie es sich ja in diesem Moment daheim in Großburgwedel auf dem Sofa bequem und genießt das Alternativ-Programm: Aus dem Sessel an der Seite von ARD-Talk-Lady Sandra Maischberger grüßt Alice Schwarzer statt Bettina Wulff. Krasser könnte der Kontrast kaum sein.
Wir bitten um Aufklärung
Die Feministin und Journalistin Schwarzer gehört zu der Ersatztruppe, die Maischberger eilig zusammengetrommelt hat, als Bettina Wulff absagte. Da trifft es sich gut, dass mit dem ominösen Mohammed-Video und den gewalttätigen Reaktionen der Muslime zwischen Tunesien und Jemen, Pakistan und Malaysia gerade ein Thema greifbar ist, das kontrovers diskutiert wird. Also dann: Islamismus statt Seelenstriptease.
Aber was ist da eigentlich los in der islamischen Welt? Ein schlecht gemachter Film mit primitiv-verunglimpfendem Inhalt, produziert von einem amerikanischen Wirrkopf, provoziert Protest, Aufuhr und Gewalt in vielen Ländern: Botschaften werden demoliert, Flaggen gehen in Flammen auf, Menschen sterben. Ist das ehrliche Empörung, die komplett aus dem Ruder läuft? Oder bietet das Hetz-Video nur den willkommenen Anlass für islamistische Brandstifter? Und wie sollen wir auf den Film reagieren? Wir bitten um Aufklärung.
Und ewig grüßt der Schall-Latour
Wer könnte uns da besser helfen als Peter Scholl-Latour, von Beruf Welterklärer und immer zur Stelle, wenn es um den Nahen oder Fernen Osten geht. Klar, dass PSL gerade erst im Sudan war und beobachtet hat, dass die Randalierer, die die deutsche Botschafte stürmten, nur zufällig vorbeigekommen waren, die Botschaft „lag gerade auf dem Weg“. Zwei Halbsätze später ist der altgediente Journalist in Afghanistan, Libyen und Irak, etwas später bei den Kreuzzügen, weil Orient und Okzident sich damals näher gewesen seien als heute. Den Film, so viel ist zumindest klar, hält Scholl-Latour für „eine Schweinerei“. Tiefere Erkenntnisse: Fehlanzeige. Also weiter.
Während sich der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir um eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob man die Vorführung des Mohammend-Films gestatten oder verbieten soll, herumdrücken, bietet ein anderer in der Maischberger-Runde Klartext. Barino Barsoum, im Alter von 18 Jahren vom Islam zum Christentum konvertiert, lernte in einer Kölner Moschee den Hass. Gewalt, so berichtet er, sei dort als „legitimes Mittel zur Durchsetzung bestimmter Ziele“ gepredigt worden: „Wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden.“ Dort werde ein „Cocktail“ gemixt, in dem ein „riesiges Sprengstoff-Potenzial“ stecke. Der Koran als Quell von Gewalt und Hass, also?
Schwachsinn und simple Botschaften
Das sieht Khola-Maryam Hübsch ganz anders. Die Muslima und Journalistin sieht nicht den Islam oder den Koran als Ursache für gewalttätigen Extremismus. Hassprediger, so sagt sie, verbreiteten „den größten Schwachsinn“ über den muslimischen Glauben und sie stießen mit ihren simplen Botschaften vor allem bei jungen Zuhörern auf eine Bereitschaft zur Radikalisierung, die dort bereits vohanden sei. Wirklich neu ist das auch nicht.
Leider schafft Gastgeberin Maischberger es nicht, der bunt zusammengewüfelten Runde eine klare Richtung geht. Die Diskutanten springen unkontrolliert von Thema zu Thema: Filmverbot, Integration, prügelnde Salafisten, Blasphemie, Sarrazin-Debatte, Israelis und Palästinenser. Und Peter Scholl-Latour erzählt vom „kemalistischen System“ in der Türkei.
Ach, ja. Da ist ja noch Alice Schwarzer. Sie weiß beizutragen, dass in der arabischen Welt „beleidigte Horden“ ihr Unwesen treiben und beobachtet dabei „eine sehr starke Behauptung der Männlichkeit“. Auch damit konnte man rechnen.
Als die gespenstisch anmutende Runde zur Geisterstunde um Mitternacht ausgeblendet wird, hält sich der Erkenntnisgewinn ebenso wie der Unterhaltungswert in engen Grenzen. Schade, dass Bettina Wulff nicht gekommen ist.