Washington. Eine Massenverhaftung auf der Brücke zwischen Manhattan und Brooklyn hat sie vor sieben Wochen auf einen Schlag weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Viele kleine Nadelstiche der Ordnungshüter könnten bald das Ende der „Occupy Wall Street“-Bewegung bedeuten.
Die im Finanzdistrikt von New York geborene Bewegung, die sich gegen die Auswüchse an den Börsen und eine wachsende soziale Schieflage wendet, ist landauf, landab in Amerika zur Zielscheibe von genervten Geschäftsleuten und besorgten Bürgermeistern geworden, die mit den meist jungen, auf öffentlichen Plätzen in Zelten campierenden Globalisierungskritikern keine Geduld mehr haben.
Am angespanntesten ist die Lage zurzeit in Portland/Oregon. Nachdem Bürgermeister Sam Adams die Räumung des dortigen Lagers angeordnete hatte – Begründung: widrige hygienische Bedingungen, vermehrte Diebstähle, Drogenmissbrauch und Gewalttaten -, kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. 50 Demonstranten wurden festgenommen. Für die nächsten Tage wird eine Zuspitzung der Situation erwartet, da „militante Splittergruppen die Protestplattform möglicherweise zweckentfremden wollen“, wie es bei der Polizei heißt.
Härtere Geschütze werden aufgefahren
Weiter südlich im kalifornischen Oakland bei San Francisco fährt Bürgermeister Jean Quan noch härtere Geschütze auf. Weil dort bei einer Schießerei auf der Plaza vor dem Rathaus kürzlich ein Mann aus dem Zeltlager ums Leben kam, wurde zum dritten Mal binnen weniger Tage die Räumung verfügt. Die Protestler wehren sich nach Kräften, vermuten „Schikane“ und „Denunziation“ und wollen partout bleiben. In Oakland gilt die Atmosphäre als besonders aufgeheizt, seit die Polizei dort Scott Olsen, einem protestierenden Armee-Veteranen, in den Kopf geschossen hat und es zu Plünderungen und schweren Sachbeschädigungen gekommen war.
Meldungen aus Denver, Albany, Salt Lake City und anderen Städten hatten am Wochenende ähnlichen Charakter. Allerorten Festnahmen und Konfrontationen mit der Polizei. Allerorten hat die Protest-Bewegung nach Schilderung der Behörden mit erheblicher Disziplinlosigkeit und Vereinnahmungsversuchen anderer gesellschaftlicher Randgruppen zu kämpfen. Von vereinzelten Vergewaltigungen ist die Rede, von kleineren Scharmützeln rivalisierender Drogenbanden und, immer wieder, von teils brutalen Räubereien. In Burlington/Vermont wollte sich ein Zeltbewohner (35) sogar das Leben nehmen, als er mit einer Pistole um sich schoss.
Promi-Besuch und Spenden-Gelder
Im New Yorker Zucotti-Park, wo am 17. September alles begann, gibt es inzwischen verschiedene Sicherheitsdienste; rekrutiert von den Demonstranten selbst, die noch immer mit Promi-Besuch (zuletzt sangen die Woodstock-Veteranen Crosby und Nash) und Spendengeldern rechnen können.
Aus dem Umfeld des milliardenschweren Bürgermeisters der Metropole, Michael Bloomberg, ist zu hören, dass auch in New York die Ungeduld von Tag zu Tag wächst. Zumal Anwohner und Geschäftsleute mittlerweile keinen Spaß mehr verstehen, wenn ein Teil der Protestler regelmäßig auch nachts zum Free-Style-Trommeln ansetzt und den Lärm der Großstadt noch um einiges verstärkt.
Dauerhaft auf die Campusse der 150 Universitäten
Mit Argwohn betrachtet man in allen Städten, in denen sich Ableger von „Occupy Wall Street“ gebildet haben, eine Taktik, die aus Kalifornien kommt. Dort haben die sich selbst verwaltenden Demonstranten dazu aufgerufen, ab morgen die innerstädtischen Standorte zu verlassen und dauerhaft auf die Campusse der rund 150 Universitäten im Bundesstaat zu gehen. An der in den 60er Jahren für ihre wirkungsmächtige Protestbewegung weltweit bekannte Universität in Berkeley bei San Francisco hat man schnell reagiert – mit einer „Null-Toleranz“ für jeden, der dort ein Zelt aufbauen will.