Köln. Schlagersänger Howard Carpendale kann es nicht lassen: Der 65-Jährige geht wieder auf Tournee. Im Interview spricht er über Geld, Krise und die „Occupy Wallstreet“-Bewegung.

Er braucht das einfach. Auf der Bühne stehen. Den Kontakt zu den Fans. Darum kehrte Howard Carpendale nach vier Jahren Pause 2007 auch zurück ins Showgeschäft. Mittlerweile blickt der 65-jährige Sänger auf eine 45-jährige Karriere zurück, hat sein 30. Album („Das alles bin ich“) veröffentlicht und geht seit Anfang November wieder auf Tour. Am 20. November macht Howard Carpendale in Bochum Station, am 23. November in der Arena Oberhausen. Christoph Forsthoff sprach mit ihm.

Sie haben doch genug Geld zurückgelegt, um über den Ruhestand nachdenken zu können?

Howard Carpendale: In der heutigen Zeit wissen wir alle nicht, ob genug zurückgelegt ist. Die Leute gucken alle aufs Geld und machen sich Sorgen. Ich merke das auch bei meinen Konzerten. Das ist nicht mehr wie früher, als 30 000 Menschen an einem Tag Karten gekauft haben. Heute ist kein Künstler mehr restlos ausverkauft. Es sind unberechenbare und verrückte Zeiten.

Sie sprechen von der Finanz- und Wirtschaftskrise.

In den USA stöhnen die Reichen ständig, sie würden zu viele Steuern zahlen. Ich habe denen gesagt: Ihr gebt euch immer so patriotisch. Jetzt werdet Ihr gebraucht, und das Einzige, woran ihr denkt, sind geringere Steuern! Das kann doch nicht sein, denn ihr zahlt ohnehin wenig Steuern!

Auch in Deutschland sind Steuersenkungen ein Lieblingsthema.

Aber es ist doch absurd, sich gerade jetzt vor allem um Steuersenkungen zu kümmern wie die FDP! Ich kapiere nicht, warum die Deutschen, die ich für ihre Disziplin immer so geschätzt habe, im Moment eher einen amerikanischen Weg gehen. Helmut Schmidt hat jüngst gesagt: Der Job eines Politikers sei es, sein Volk zu befrieden. Doch im Moment machen die uns alle nur bekloppt.

Krisen sind in einer globalisierten Welt nicht mehr so einfach zu bewältigen.

Aber die Politiker schmeißen mit den Begriffen Millionen und Billionen um sich, als ob das nichts wäre! Um sich das Verhältnis einmal zu verdeutlichen: Eine Million Sekunden sind 11 Tage, eine Billion Sekunden sind 32 000 Jahre – das muss man sich doch mal klar machen, wenn man davon redet. Mich regt Unwissen auf, besonders in diesen Zeiten und vor allem bei Menschen, die es besser wissen müssten.

Mangelt es an der nötigen Bildung?

Zweifellos ist das Bildungssystem in den USA eine Katastrophe, und auch das in Deutschland längst nicht mehr so gut, wie es einmal war. Es wächst eine junge Generation heran, deren einziges Streben es scheint, ein Star zu werden, ob nun in der Musik oder der Mode – und die damit auf dem völlig falschen Dampfer ist. Die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern war noch nie so aktuell wie heute: Wir akzeptieren Dinge, ohne darüber nachzudenken, und sind völlig unkritisch geworden. Nicht zuletzt auch die Medien selbst, allen voran das Fernsehen, das uns immer mehr mit Unsinn füttert.

Andererseits zeigt die „Occupy Wallstreet“-Bewegung, dass sich sehr wohl immer mehr Menschen Gedanken machen, dass in dieser Welt etwas falsch läuft.

Ja, Michael Moore (amerikanischer Regisseur, Anm. d. Red.) hat gesagt, er habe noch nie eine Bewegung so rasch wachsen sehen. Und in der Tat finden diese Proteste ja mittlerweile weltweit statt.

Ohne dass die Demonstranten allerdings Alternativen aufzeigen.

Sie kennen ihre Botschaft noch nicht genau, sondern wissen nur, dass wir irgendetwas tun müssen. Die Bewegung wird sicher an Stärke gewinnen, wenn klar wird, dass im Grunde unser System falsch ist. Es kann doch nicht sein, dass ich zwei-, dreimal in der Woche Anrufe von Banken bekomme, mit der Empfehlung, gegen Aktien zu wetten und auf fallende Aktien zu setzen. Das kann ich nicht!