Duisburg. Duisburger Großmarktchef Uwe Kluge warnt vor der Schließung der Großmärkte in Düsseldorf und Köln. Auch Wochenmärkte seien in Gefahr.

Wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher schlafen, herrscht am Großmarkt in Duisburg Hochbetrieb. Ab 4 Uhr in der Nacht füllt sich die Halle mit Markt- und Einzelhändlern, aber auch Gastronomen und Hoteliers, die sich mit frischem Gemüse, Obst und Fisch eindecken wollen. Mit 100.000 Tonnen Ware macht allein der Großmarkt Duisburg jährlich einen Umsatz von 120 Millionen Euro. Doch in der Branche und in der Politik geht die Sorge um, dass Großmärkte in öffentlicher Hand aussterben könnten.

Uwe Kluge schlägt den Kragen seines Mantels hoch, bevor er die Markthalle betritt. Der gebürtige Bremer weiß, dass Obst und Gemüse bei einer Temperatur zwischen einem und drei Grad Celsius gelagert werden. Als Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft Duisburg Kontor hat sich der 57-Jährige um Hallen, Tourismus, Stadtmarketing, Wochenmärkte und vieles mehr zu kümmern. In diesen Wochen gilt seine Aufmerksamkeit aber vor allem dem Großmarkt.

Duisburger Uwe Kluge spricht für Großmärkte bundesweit

Denn Kluge ist nicht nur für den in Duisburg verantwortlich. Als Vorsitzender des Bundesverbands GFI Deutsche Frischemärkte spricht der Diplom-Ingenieur für 450 Wochenmärkte und die 17 bedeutendsten Großmärkte in Deutschland. Zwei von ihnen stehen gerade politisch zur Disposition: Düsseldorf und Köln. Ohne diese beiden riesigen Anbieter gäbe es in Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnen nur noch Großmärkte in Duisburg, Essen, Dortmund, Aachen, Bonn und Bielefeld.

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„Wir wären töricht, Großmärkte ohne Not aufzugeben. Ich halte es für enorm wichtig, dass Düsseldorf und Köln ihre Standorte behalten“, sagt Kluge. „Ohne sie wächst die Vormachtstellung großer Supermarktketten wie Edeka und Rewe weiter. Wir wollen aber keine Oligarchen.“ In Köln soll der Großmarkt 2025 einem Wohn- und Gewerbepark weichen. Der Umzug an einen alternativen Standort steht in den Sternen. In Düsseldorf soll Ende 2024 Schluss sein. Auf dem Gelände des Großmarkts soll neben Wohnungen und Büros ausgerechnet der Rivale Metro eine neue Filiale bauen.

„Großmärkte nicht Immobilien-Interessen opfern“

Branchen-Sprecher Kluge schüttelt den Kopf, dass die Versorgung mit Lebensmitteln den Immobilien-Interessen geopfert werden soll. „Großmärkte funktionieren aus logistischen Gründen nur ebenerdig. Eine Stadtgesellschaft muss bereit sein, solche Flächen in zentraler Lage vorzuhalten. Auch wenn die Begehrlichkeiten, dort Wohnungen zu bauen oder anderes Gewerbe zuzulassen, groß sind“, fordert er.

Die Entscheidungen der Kommunalpolitiker in Köln und Düsseldorf sind nicht nur den Großmarkt-Betreibern, die lautstark gegen die Schließungen protestieren, ein Dorn im Auge. Auch die SPD-Landtagsfraktion hat sich des Themas angenommen und einen Antrag mit dem Titel „Ohne Großmarkt kein Wochenmarkt: Ernährungssicherheit gewährleisten, alternative Vertriebswege offenhalten“ eingebracht. „Ohne Großmärkte geraten auch die Wochenmärkte in Städten und Gemeinden in Existenzgefahr“, mahnen die Sozialdemokraten und fordern die schwarz-grüne Landesregierung unter anderem dazu auf, „die Tradition der Groß- und Wochenmärkte in die Liste des immateriellen Kulturerbes des Landes“ aufzunehmen.

Kluge: Moralische Verantwortung für Lebensmittel

Vor dem zuständigen Umweltausschuss des Landtags hielt der Duisburger Uwe Kluge unlängst ein flammendes Plädoyer für den Erhalt der Großmärkte. „Es gibt wahrscheinlich keine gesetzliche Pflicht für Kommunen, einen Großmarkt vorzuhalten. Aus meiner Sicht gibt es aber eine moralische Verantwortung, Lebensmitteln mehr Wertschätzung entgegenzubringen“, sagt der Geschäftsführer im Gespräch mit unserer Redaktion und wird grundsätzlich: „In Deutschland gucken wir bei der Ernährung mehr auf den Preis als auf die Qualität. Das ist in anderen Ländern völlig anders. In Spanien etwa sind Markthallen geschützt.“

Uwe Kluge ist auch Vorsitzender des Bundesverbands GFI Deutsche Frischemärkte.
Uwe Kluge ist auch Vorsitzender des Bundesverbands GFI Deutsche Frischemärkte. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Insofern sei es auch von Bedeutung, dass Großmärkte unter öffentlicher Regie bleiben. „So ist sichergestellt, dass möglichst viele Anbieter auf dem Großmarkt vertreten sind. Nur so kann Qualität bei den Lebensmitteln gewährleistet werden“, meint Kluge. In Duisburg sind es 35 Händler und Importeure, die Obst, Gemüse und Fisch an Gewerbetreibende verkaufen. Manche liefern auch aus. Fleisch gibt es im Duisburger Großmarkt nicht. Das Fleischzentrum, das ebenfalls zu Duisburg Kontor gehört, befindet sich einige Kilometer weiter auf dem Gelände des früheren Schlachthofs im Stadtteil Meiderich. In Essen und Dortmund sind dagegen alle Angebote unter einem Dach vereint.

„Kunden wollen die Ware vor Ort sehen“

Kluge spricht dennoch von einer „zentralen Einkaufsstätte“ vor den Toren der Duisburger Innenstadt. Gewerbetreibende auch aus Oberhausen, Mülheim, den Kreisen Wesel und Kleve fahren hier auf einer Tour nicht nur den Großmarkt an, sondern auch den Fischgroßhändler Deutsche See und die Metro. Im Morgengrauen stört der Lkw-Verkehr hier im großen Gewerbegebiet kaum schlafende Anwohner. Aus Sicht von Duisburg Kontor ein entscheidender Standortvorteil.

Die Schließungspläne in der Nachbarstadt wirken bereits. „Die Großmärkte sind in der Regel voll ausgelastet. Wir bekommen jetzt schon Anfragen von Großhändlern aus Düsseldorf. Wir haben in Duisburg aber keine Kapazitäten“, erklärt Kontor-Chef Kluge, der mit der wirtschaftlichen Lage seines Großmarkts durchaus zufrieden ist. Duisburg schreibe eine „schwarze Null“. Und eine ernstzunehmende Konkurrenz im Internet sieht der Geschäftsführer nicht: „Für den Großhandel lohnt sich ein Onlineshop nicht. Die Kunden wollen die Ware vor Ort sehen und erst dann kaufen.“

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