Düsseldorf. In Düsseldorf griff am Samstag die erste Gastro-Sperrstunde um 23 Uhr. Grund ist die zu hohe Zahl der Corona-Neuinfektionen in einer Woche.
Und plötzlich ist es still. Wo vorher noch überlaute Musik ein Gespräch mit dem Sitznachbarn unmöglich machte, beherrscht nun für einen kurzen Moment eine surreale Stille die Stimmung in der Brauerei. Zu diesem Zeitpunkt ist es rappelvoll. Nahezu jeder Platz ist besetzt, auf den Tischen sammeln sich Altbiergläser und Kontaktformulare. Ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist 23 Uhr. Die Sperrstunde beginnt. Zum ersten Mal müssen an diesem Abend die Düsseldorfer Restaurants, Bars, Kneipen und Brauhäuser um 23 Uhr schließen. Mindestens bis 6 Uhr morgens.
Der Grund: Nordrhein-Westfalen hat für Städte mit einer besonders hohen Zahl an Coronavirus-Neuinfektionen eine Sperrstunde eingeführt. Am Sonntag lag in Düsseldorf die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, laut Angaben der Stadt bei 72,3. Der kritische Wert von 50 gilt als maßgeblich für neue Einschränkungen während der Corona-Pandemie. „Wir stehen heute an einem Punkt, an dem es darauf ankommt, dass wir die Kontrolle über den Verlauf der Pandemie behalten“, hatte Ministerpräsident Armin Laschet am Freitag erklärt. Wie gut klappt das in der Düsseldorfer Altstadt?
Altstadt in Düsseldorf: Ungewöhnlich leer für einen Samstag
Um 21 Uhr ist es auf der Bolkerstraße nahe der Heinrich-Heine-Allee ungewöhnlich leer. Normalerweise drängen sich hier am Wochenende die Menschen auf der Suche nach einem Sitzplatz durch die Gassen. „Für einen Samstagabend ist hier lächerlich wenig los“, erklärt ein Kellner einer Brauerei an der Bolkerstraße im Vorbeigehen. Angst vor den vielen Neuinfektionen, oder Unmut wegen der frühen Sperrstunde? Der Großteil der Altstadtbesucher ist jung, viele tragen keine Maske, obwohl an dieser Stelle eine Maskenpflicht gilt. Hinweisschilder sind keine zu sehen.
„Mir tut es leid für die Gastronomen“, erklärt Tina Franzkoch, die einen Tisch in der Brauerei Kürzer ergattern konnte. „Das wird denen in der Seele wehtun, dass sie gleich zu machen müssen.“ Obwohl das Bild auf den Straßen anderes vermuten lässt, ist das Lokal gut besucht. Kellner servieren im Akkord dem vornehmlich jungen Publikum Altbier. „Anfang September war es hier in der Altstadt noch brechend voll“, erinnert sich Franzkochs Sitznachbar Babak Azizi. „Ich denke, jetzt durch die Sperrstunde werden viele Angst haben hierhin zu kommen.“ Sperrstunde. Ein Wort, dass immer wieder auch von den Nachbartischen zu hören ist.
Um viertel vor Elf betreten immer noch Gäste das Lokal, werden von den Kellnern an einen Platz geführt. Ob sie wissen, dass sie ihn in 15 Minuten wieder räumen müssen? „Ob diese Sperrstunde wirklich sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln“, sagt Franzkoch. Sie mutmaßt, dass viele anschließend in Gruppen nach Hause gehen werden um dort weiter zu feiern. „Und es heißt doch immer, dass private Feiern die großen Infektionsherde sind“, sagt sie nachdenklich. Ob eine Sperrstunde wirklich bei der Eindämmung des Virus helfen kann – Franzkoch und Azizi sind nicht überzeugt.
Sperrstunde in Düsseldorf: Ordnungsamt zeigt Präsenz
Um kurz vor 23 Uhr unterbricht der Kellner das Gespräch. „Kassensturz“, erklärt er freundlich. Nachdem der Tisch seine Rechnung beglichen hat, geht alles ganz schnell. Die Musik verstummt, die Bedienungen sammeln blitzschnell die Gläser ein, die Gäste verlassen – mal geordnet, mal sichtlich verwirrt – die Brauerei. Draußen auf der Straße läuft eine Gruppe von Ordnungsamt-Mitarbeitern in gelben Westen an den zahlreichen Lokalen vorbei. Hin und wieder bleibt einer von ihnen stehen, betritt ein Lokal und kommt wenige Sekunden später wieder hinaus. Kurze Erinnerung an die Sperrstunde?
Um 23.30 Uhr sind die meisten Rollladen an den Lokalen der Altstadt hinuntergelassen. Die Gassen sind noch leerer geworden, nur wenige sammeln sich vor den Kiosks und Imbissbuden, die weiterhin offen bleiben dürfen. Alkohol bekommen sie aber auch hier nicht mehr, der Verkauf von alkoholischen Getränken ist für die Zeit der Sperrstunde für sämtliche Betriebe verboten. Auch auf der Rheintreppe am Burgplatz, in der Vergangenheit Hotspot für besorgniserregende Ansammlungen, verhalten sich die Menschen ruhig. Wenige sitzen in kleinen Gruppen auf den Stufen, halten ausreichend Abstand zueinander.
Die Polize i spricht am Sonntag von einem ruhigen Abend. „Die Leute haben nach unseren Beobachtungen zügig die Lokale verlassen“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.
Ob die Maßnahme der Sperrstunde greift, lässt sich in einigen Tagen mit Blick auf die Zahl der Neuinfektionen sagen. Bis dahin heißt es: Um 23 Uhr wird es still.
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