Wesel. Das Land will Kommunen wie Wesel freistellen, ob sie unterschiedliche Grundsteuer-Hebesätze einführen. Bürger und Firmen könnten dagegen klagen.
Wesels Kämmerer Klaus Schütz fürchtet große Rechtsunsicherheit bei der Grundsteuer B. Hintergrund sind die in dieser Woche vorgestellten Pläne der schwarz-grünen Landesregierung, mit denen private Eigentümer durch die Grundsteuerreform nicht stärker belastet werden sollen. Der Entwurf sieht vor, den Kommunen freizustellen, für Wohn- und andere Grundstücke jeweils unterschiedliche Hebesätze anzuwenden, soweit dies nach den Verhältnissen vor Ort sinnvoll erscheint. Die Stadt Wesel könnte dann selbst entscheiden, wie sie verfährt – und gerade deshalb sieht Schütz in dieser Regelung einige Fallstricke, wie er am Mittwoch der Politik im Rechnungsprüfungsausschuss vorstellte.
Denn laut dem Gesetzestext, den die beiden Düsseldorfer Koalitionsfraktionen von CDU und Grüne in dieser Woche vorstellten, müssen die Kommunen selbst dafür sorgen, dass ihre Hebesätze verfassungsrechtlich abgesichert sind und nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz verstoßen. „Das liegt dann in unserer Verantwortung“, stellte Schütz klar. „Das wird ein wilder Ritt, um es mal vorsichtig zu formulieren“. Wer sich durch die neuen Hebesätze zu stark belastet fühlt, könne dagegen klagen. Dass solche Klage von Bürgern oder Gewerbetreibenden kommen, dürfte sicher sein – schließlich gibt es auch in Wesel massive Kritik an der letzten Erhöhung der Grundsteuer B.
Die Grundsteuer ist eine der wichtigen Einnahmequellen der Kommunen, mit der sie unter anderem etwa Schulen und Kindergärten oder auch Straßen und Spielplätze finanzieren. Wesel kalkuliert im aktuellen Haushalt mit knapp 17 Millionen Euro, die über die Steuer einfließen. Durch die Grundsteuerreform, die ab 2025 greift, droht allerdings eine Schieflage. Besitzer von Eigenheimen müssen mit einer zusätzlichen Grundsteuerbelastung von im Schnitt 20 Prozent rechnen. Auch Mieter wären betroffen, denn die Grundsteuer darf auf die Nebenkosten umgelegt werden. Eigentümern von Gewerbeimmobilien winkt hingegen eine Entlastung von bis zu 50 Prozent. Genaue Zahlen für Wesel liegen noch nicht vor, die Größenordnung dürfte sich aber in diesem Bereich bewegen.
Grundsteuer: „Wir sind das letzte Glied in der Kette“
Schwarz-Grün will mit seinem Gesetzesvorhaben die Möglichkeit schaffen, diese Unwucht über unterschiedliche Hebesätze zu korrigieren. Nicht nur die Weseler Stadtverwaltung sieht das kritisch. Auch die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich dagegen aus – das Problem werde allein den Kommunen überlassen. „Wir teilen das Anliegen, das Wohnen steuerlich zu entlasten“, sagte Christoph Landscheidt, Bürgermeister von Kamp-Lintfort und Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW. „Aber der nun eingeschlagene Weg einer Hebesatzdifferenzierung auf kommunaler Ebene zieht mehrere schwerwiegende Folgeprobleme nach sich.“ Die technische Umsetzung sei kaum zu schaffen, da Neuprogrammierungen der Haushaltssoftware erforderlich seien.
Noch schwerer wiege der Umstand, dass eine Differenzierung auf der Ebene der Hebesätze auch verfassungsrechtlich fragwürdig sei. Es gebe ernstzunehmende Bedenken, ob Kommunen das Recht eingeräumt werden dürfe, über Hebesatzentscheidungen nachträglich die Neubewertung des Grundvermögens zu verändern, die das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber eingefordert hat. „Die Regierungsfraktionen schaffen hier ohne zwingende Gründe ein Einfallstor für Rechtsstreitigkeiten auf dem Buckel der Kommunen“, so Landscheidt. Zudem werde eine solche Regelung den Standort-Wettbewerb zwischen den Kommunen verschärfen und vor Ort regelmäßig Konflikte zwischen Gewerbetreibenden und privaten Eigentümern provozieren.
Kritik kam im Rechnungsprüfungsausschuss auch von der Weseler Politik. „Wir sind als Kommune wieder das letzte Glied in der Kette“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Jürgen Linz. „Der Zeitdruck ist enorm und ich wage zu bezweifeln, ob wir diese Regelung in der Kürze der Zeit rechtssicher hinkriegen können.“ Bei einer Differenzierung der Hebesätze müsse man sich auf Klagen einstellen. Der Ausschussvorsitzende Ludger Hovest (SPD) sagte: „Das Chaos ist vorprogrammiert, wenn jede Kommune etwas anderes macht.“ Der Ausschuss sprach sich dafür aus, dass die Stadtverwaltung ihre Kritik bei der Landesregierung und der hiesigen Landtagsabgeordeten Charlotte Quik (CDU) platziert.