Hamminkeln. Landwirt Niels Fahl aus Loikum steht mit 29 Jahren für die Zukunft der Landwirtschaft. Der Bauer erklärt, wofür er EU-Geld bekommt.
So sieht wahrscheinlich die Landwirtschaft 4.0 aus: Wenn die 125 Kühe im Stall von Niels Fahl ihre Milch loswerden wollen, laufen sie selbstständig in einen Melkroboter. Was dann beginnt, ist ein hochautomatisierter Vorgang: Sensoren erkennen, ob das Tier schon bereit ist, vor dem Melken werden die Zitzen gereinigt und der Euter ist danach in weniger als sieben Minuten leer, anschließend verlässt die Kuh die Maschine wieder. Dreimal am Tag wiederholt sich dieser Ablauf pro Tier, das im besten Fall jeweils um knapp 14 Liter Rohmilch erleichtert wird. Gut 4200 Liter kommen so täglich zusammen.
Es ist ein nasser und mal wieder zu warmer Wintertag. Niels Fahl und Bernhard Borkes-Bußhaus stehen vor dem hochmodernen Kuhstall auf ihrem Hof, den sie am Ortsrand von Hamminkeln-Loikum bewirtschaften. Rund 1,3 Millionen Euro haben sie in die neue Heimat der Tiere investiert. Der Roboter ist hier nicht nur fürs Melken zuständig, so gibt es auch eine Art Staubsaugerroboter im Großformat, der ständig im Stall unterwegs ist und den Kuhmist auf den Gittern wegräumt. Und jede Kuh trägt sozusagen eine Smartwatch um den Hals, die alle relevanten Gesundheitsdaten aufzeichnet. „Wir wissen dadurch zum Beispiel immer, wenn ein Tier zu wenig gefressen hat. Viele Krankheiten können so früher erkannt werden“, erklärt Fahl. Auch die Belüftung ist im neuen Stall viel besser als bei seinem in die Jahre gekommen Vorgängermodell, außerdem haben die Tiere mehr Platz. Die Milch, die hier produziert ist, fällt in die aus dem Supermarkt bekannten Haltungsformstufe drei – einen höheren Standard gibt es nur noch bei Biobetrieben.
Landwirte aus Hamminkeln steht hinter den Bauernprotesten
Niels Fahl steht hinter den Bauernprotesten, die in den vergangenen Wochen die gesamte Republik bewegt haben und auch am Niederrhein viele Menschen auf die Sorgen und Nöte der Landwirtinnen und Landwirte aufmerksam gemacht haben. Immer wieder ging es dabei um die Subventionen, die die Bauern vom Staat, vom Land oder der Europäischen Union erhalten.
Fahl gehörte in Hamminkeln in den vergangenen Jahren zu den Landwirten, die besonders viel Geld bekommen haben. Das liegt aber vor allem an der Investition in den neuen Stall. Insgesamt 360.000 Euro hat er für den Neubau von der EU erhalten, ausgezahlt über einen Zeitraum von zwei Jahren. Damit er dieses Geld überwiesen bekam, mussten hohe Auflagen erfüllt sein. „Der Antrag für die Fördermittel hatte 85 Seiten. Ohne einen Fachmann hätten wir den niemals ausfüllen können und das Gutachten dafür hat alleine 30.000 Euro gekostet“, berichtet der Loikumer. Es ist ein Phänomen, von dem viele Landwirte berichten: durch den Bürokratiedschungel durchzusteigen, wird für sie immer schwieriger.
Zieht man die Großinvestition ab, erhält Fahl deutlich weniger Subventionen. 2022 waren es rund 19.000 Euro, im vergangenen Jahr etwa 23.000 Euro. Das Geld gibt es vor allem für die 60 Hektar Ackerfläche, die er zum Anbau von Tierfutter bewirtschaftet und über die Prämie für Junglandwirte. 65 Euro pro Kuh gibt es zudem über die sogenannte „Strohprämie“, allerdings vom Land Nordrhein-Westfalen. Die erhält Fahl, weil er seine Tiere auf Stroh hält und damit artgerechter als in Boxen mit Kunststoffböden.
Insgesamt machen die Zuwendungen von staatlicher Seite rund 15 Prozent des Gewinns aus, damit ist der Anteil bei dem Hamminkelner im Vergleich mit anderen Höfen eher gering. „Ich will am liebsten gar keine Subventionen“, sagt er. Doch dafür müssten die Preise steigen, die die Verbraucherinnen und Verbraucher für die Milch im Supermarkt zahlen.
So viele kostet den Loikumer Bauern die Dieselkürzung
Und die viel diskutierte und mittlerweile beschlossene Kürzung beim Agrardiesel? Rund 4200 Euro pro Jahr wird es Fahl kosten, wenn die Rückzahlungen auf die Steuer komplett abgeschafft sind. Als Milchviehwirt benötigt er nicht so viel Diesel wie reine Ackerbauern oder Obstlandwirte, die viel mehr Strecken mit Traktoren zurücklegen. „Aber es geht auch gar nicht um diese Summe“, sagt der Landwirt.
Vielmehr sei die Diesel-Debatte nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, was „Gängeleien“ und Kürzungen von Seiten der Politik angeht. „Das gilt auch nicht nur für die Ampel“, stellt Fahl klar. Ein Beispiel, das er aufführt: Die Auflagen für die Ackerflächen, die er hauptsächlich zum Futteranbau nutzt. Von seinen 60 Hektar darf er nur 66 Prozent für den Maisanbau nutzen, um Monokulturen zu vermeiden. „Ich kann auf dem Rest dann zum Beispiel Gerste anbauen, aber das bringt mir kein Futter für die Kühe.“
Mit seinen 29 Jahren gehört der Loikumer zur Zukunftsgeneration der Landwirtschaft. Dabei stammt er selbst gar nicht aus einer Bauernfamilie, auf dem Hof von Bernhard Borkes-Bußhaus hat er aber schon als kleiner Junge ausgeholfen. Doch Borkes-Bußhaus hat keinen Nachfolger in der eigenen Familie gefunden, deswegen bewirtschaftet er nun gemeinsam mit Fahl den Hof, den dieser in einigen Jahren komplett übernehmen soll.
Für seine Zukunft wünscht er sich vor allem mehr Planungssicherheit und eine Chancengleichheit auf dem Weltmarkt, damit die heimische Landwirtschaft überleben kann: „Den neuen Stall finanzieren wir über 25 Jahre, aber was passiert, wenn in drei Jahren wieder neue Auflagen gelten?“ Trotz solcher Fragen, die mit vielen Unsicherheiten verbunden sind: Landwirt sein und bleiben, das ist Fahls großer Traum.