Emmerich. Christian Scheers ist auf seinem Bauernhof in Emmerich mit 160 Kühen der einzige Mitarbeiter. Möglich machen das digitale Technologien.

Statt in Arbeitsklamotten und dreckigen Stiefeln, wie man es von einem traditionellen Bauer erwarten würde, erscheint Christian Scheers, Hofleiter des Milchbetriebs in Emmerich, in Jeans und Lederschuhen. Kein Wunder – denn die Arbeit, die der Landwirt vor Ort erledigt, besteht hauptsächlich darin, Computer zu bedienen und Daten auszuwerten. Die körperliche Arbeit erledigen für ihn zum größten Teil neue Technologien.

So bewegt sich mitten im Kuhstall ein kleiner Roboter hin und her, der den Dreck sorgfältig wegkehrt. Die Türen im Stall sind vollautomatisch, erkennen jede einzelne Kuh anhand von Sensoren, und geleiten sie von alleine in das entsprechende Abteil – entweder zum Melken oder in den Schlafbereich. „Der Computer erkennt, wie lange der letzte Melkvorgang her ist und entscheidet daran, welche Tür sich für die Kuh öffnet“, erklärt Scheers.

Achtarmiger Melkroboter

Ist das Melken schon eine Weile her, geht es für die Kuh in einen Melkroboter. Dort werden die Zitzen erst einmal vom Gerät mit Wasser und Seife gereinigt, bevor vier becherartige Arme sie greifen. Jetzt wird gepumpt.

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Dabei erhält die Kuh jedes Mal ein Leckerli, das das Tier zum eigenständigen Betreten des Roboters animieren soll. Und tatsächlich: Während die Kuh namens Fallon noch gemolken wird, bildet sich am Eingang eine Schlange aus weiteren Interessierten.

Eigenes Labor auf dem Hof in Emmerich

„Jede Kuh hat ihren eigenen Rhythmus und kann mithilfe des Melkroboters jederzeit gemolken werden. Eine Arbeitskraft würde die Kuh nur zweimal am Tag melken, immer um die gleiche Zeit“, schildert Scheers. Der Melkroboter erleichtert dem Landwirt nicht nur seine Arbeit, er bringt auch mehr Ertrag: Rund zehn Prozent mehr Milch kann durch das regelmäßige Melken generiert werden. Und auch die Kuh profitiert. „Sie kann zu jeder Tageszeit zum Melkroboter gehen. Es kommt nicht mehr vor, dass eine Kuh morgens einen 20 Liter schweren Euter hat“, so Scheers. Während herkömmliche Geräte alle vier Zitzen greifen und erst loslassen, wenn alle leer sind, rechnet der Melkroboter genau aus, wie viel Milch aus jeder Zitze fließt. So bleibt kein Greifarm länger an dem empfindlichen Körperteil, als es soll. „Das ist wesentlich angenehmer für die Kuh, als das Pumpen einer leeren Zitze“, sagt der Bauer.

Durch die Digitalisierung des Melkens gehe aber auch die Bindung zur Kuh verloren. Umso wichtiger sei es, die gesundheitlichen Daten der Tiere genau zu kennen. Dafür hat sich der Landwirt ein Gerät der besonderen Art angeschafft: Einen Herd-Navigator. In der kleinen, blauen Box versteckt sich ein ganzes Labor, das automatisch einzelne, kleine Proben der Milch von jeder Kuh abfängt und analysiert. So können zahlreiche Krankheiten sofort erkannt werden – von Zysten bis zu Entzündungen.

Teure Investitionen

Das spart auch die Tierarztkosten, sagt der Bauer. „Wenn man die Krankheit einer Kuh zu spät bemerkt, dann helfen nur noch starke Medikamente, die die Milch lange Zeit unbrauchbar machen. Weil das Gerät so schnell Fehler erkennt, können wir eine Krankheit meist mit kleinen Mitteln direkt bekämpfen“, sagt Scheers. Außerdem erkennt das Gerät, ob eine Kuh trächtig ist, oder nicht.

All diese Investitionen haben ihren Preis: Ein Melkroboter kostet laut dem Landwirt etwa 130.000 Euro, der komplette Stall mit seinen vollautomatischen Sensor-Türen habe um die eine Million gekostet. Der Umbau ist nun schon einige Jahre her. „So etwas muss langfristig, für etwa 15 Jahre geplant werden, wir fangen erst jetzt an Profit zu machen“, sagt der Bauer. Den Milchviehbetrieb von seinem Vater derart zu digitalisieren, sei für Scheers dementsprechend nicht einfach gewesen. „Aber mein großes Ziel war es, den Hof alleine versorgen zu können. Und mit den Geräten funktioniert das“, sagt er. Will der Bauer mal in den Urlaub, habe er eine Vertretung, die mithilfe der gespeicherten Daten und Geräte schnell eingearbeitet ist. „Natürlich setzt das ein gewisses technisches Verständnis voraus, was man früher bei der Arbeit auf dem Bauernhof nicht gebraucht hätte“, sagt er.

Lüftungsanlage für heiße Tage

Nachdem die letzten zwei Sommer so heiß gewesen waren, hat der 45-Jährige sich im vergangenen Jahr dazu entschieden, auch die Temperatur im Stall automatisch regulieren zu lassen: Ein spezielles Lüftungssystem misst die Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit und schmeißt bei Bedarf zahlreiche Ventilatoren an der Decke an, lässt einen leichten Regen über die Köpfe der Kühe rieseln oder trocknet die Luft. Das sorge dafür, dass die Kühe nicht überhitzt sind und gesund bleiben – was sich wiederum im Ertrag der Milch zeigt. „Ich mache das hier in erster Linie, um gut zu verdienen. Wenn es den Kühen gut geht, dann habe ich als Erster etwas davon“, ist er sich sicher. Und das bedeute eben auch in der Landwirtschaft, nicht vor Innovationen zurückzuschrecken.