Wesel. Der Leerstand ist groß – und nun droht in Wesel mal wieder das Kaufhof-Aus. Wie könnte eine Zukunft der City aussehen? Das denken Einzelhändler.
Die dunklen Wolken über dem Weseler Kaufhof sind wieder da – und sie lassen sich selbst von der strahlendsten Wintersonne nicht vertreiben. Mitte Januar hat der Galeria-Konzern zum dritten Mal einen Insolvenzantrag gestellt und seitdem bangen nicht nur die rund 50 Beschäftigten der Filiale an der Hohen Straße um ihre Existenz, sondern dem Weseler Einzelhandel droht mal wieder eine Zitterpartie mit einem ungewissen Ausgang. Bis die Entscheidung darüber fällt, welche Standorte des Essener Konzerns erhalten bleiben, könnte es Monate dauern. Aber braucht die Innenstadt den Kaufhof überhaupt noch?
Markus Münnich steht an diesem kühlen Januarmorgen hinter der Kasse seines Geschäftes am Viehtor, in den Verkaufsregalen warten ausgefallene Dekoartikel, Wohnaccessoires oder besondere Geschenkideen auf ihren Abnehmer. Es sind noch ein paar Minuten bis zur Öffnung seines Geschäftes „Wohntrend“, Münnich hat also Zeit für ein Gespräch über Gegenwart und Zukunft der Innenstadt. Was die Bedeutung des einzigen Warenhauses der Stadt angeht, legt sich der Geschäftsmann fest. „Der Kaufhof ist immer noch ein ganz starkes Zugpferd für Wesel, es wäre eine Katastrophe, wenn er schließt“, sagt Münnich, der seit 1996 als selbstständiger Händler in Wesel aktiv und seit 2002 mit seinem Laden am Viehtor ansässig ist.
Kaufhof in Wesel ist immer noch ein Zugpferd für die Innenstadt
Der Kaufhof locke noch immer eine nennenswerte Zahl von Menschen in die Fußgängerzone, die vorher oder nachher in anderen Geschäften einkaufen – so profitiert auch Wohntrend davon. Allerdings: Aus Sicht von Markus Münnich erlebt die Innenstadt seit Jahren einen Abwärtstrend, der sich durch Corona verschärft hat. Er lebt mittlerweile weitgehend von der Stammkundschaft und auch die werde immer älter, erzählt der Händler. „Beim Weihnachtsgeschäft haben wir nur noch die Hälfte des Umsatzes im Vergleich mit den besten Zeiten gemacht“, sagt Münnich. Das jüngere Publikum, das sich für seine Waren interessieren könnte, komme gar nicht erst in die Stadt, sondern fahre lieber ins Centro Oberhausen oder nach Düsseldorf – oder bestelle im Internet.
Mit einem Fokus auf Handel werde die Innenstadt in der Zukunft immer weniger Menschen erreichen, glaubt Münnich. Es brauche eine bessere Mischung, etwa mit hochwertiger Gastronomie. „Was zum Beispiel fehlt, sind mehr Cafés, wo die Leute sich länger aufhalten können“, findet der Einzelhändler. Trotz der ungewissen Ausblicke will er sein Geschäft weiterbetreiben und hat die Hoffnung für die Hansestadt als Einkaufsstandort noch nicht aufgeben. „Im Vergleich mit anderen Städten bietet Wesel viel.“
Junges Weseler Label: Seit 2020 mit einem Geschäft
Moritz Hippich ist keiner, der pessimistisch in die Zukunft schaut. Sonst hätte er ganz sicher nicht mitten in der Corona-Krise den Schritt gewagt, mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau Anna Gorecki eine Boutique an der Wilhelmstraße zu eröffnen. Seitdem hat ihr 2009 gegründetes Label „Home is where your heart ist“ dort ein kleines, aber feines Ladenlokal – allerdings etwas abseits der Innenstadt. Über einen Umzug in die Fußgängerzone hat Hippich zwar nachgedacht, die Idee aber erstmal wieder verworfen. „Aufgrund der hohen Mieten lohnte sich das für uns nicht“, begründet er diese Entscheidung.
Dass ein solcher Schritt auch scheitern kann, weiß Hippich mittlerweile aus eigener Erfahrung. In Dinslaken eröffneten er und seine Frau Ende 2022 ihren zweiten Standort direkt an der Neustraße, der Haupteinkaufsmeile. Doch knapp ein Jahr später mussten sie den Laden wieder schließen, weil der Umsatz zu gering, die Kosten zu hoch waren. „Ohne Förderung hat sich das nicht mehr gelohnt“, sagt Hippich. Nun liegt die Konzentration wieder voll auf Wesel und dem eigenen Online-Shop.
Der Kaufhof sei für Wesel wichtig als „zentraler Ort mit Vollsortiment“ – doch der Kreative sieht die Zukunft der Innenstadt nicht mehr im klassischen Einzelhandel. Das fängt schon bei den Öffnungszeiten an. „Das Konzept 10 bis 18 Uhr ist überholt“, sagt Hippich, der seinen Laden nur an vier Tagen pro Woche für einige Stunden aufschließt. Um mehr junge Leute in die City zu locken, brauche es unter anderem eine andere Ansprache, einen anderen optischen Auftritt. Die Espresso-Bar „Freddo“ an der Brückstraße ist für ihn ein gelungenes Beispiel für einen modernen Look, das Konzept des Restaurants „Burger Nerds“ überzeuge ihn auch. Dass der Weseler so einen großen Wert auf Designsprache legt, ist kein Zufall: Schließlich betreibt er neben dem Label ein Kreativbüro.
Diese Expertise hat ihm bei der vor Weihnachten ins Leben gerufenen Aktion „Gemeinsam.Wesel“ geholfen. Unter diesem Label versammeln sich derzeit 18 Einzelhändlerinnen und Einzelhändler. Auftakt war eine Art Adventskalender, in diesem Jahr soll die Dachmarke zum Beispiel im Vorfeld von Veranstaltungen ins Licht gerückt werden, etwa in den sozialen Netzwerken, – und so einen Wiedererkennungswert schaffen und sich nach und nach zur Plattform für den Weseler Handel entwickeln. Denn Hippich ist überzeugt, dass es in der Hansestadt – trotz Probleme wie hohen Mieten und leerstehenden Ladenlokalen – großes Potenzial gibt. Doch es müssten mehr neue Ideen her: Warum nicht mal einen Pop-up-Store mit einer günstigen Miete möglich machen, damit eine Innenstadtlage auch für junge Gründerinnen und Gründer umsetzbar ist?
„Gemeinsam.Wesel“: Neues Label soll Plattform für Händler werden
Intensiv mitgearbeitet an „Gemeinsam.Wesel“ hat Marion Day, die Inhaberin von „My Day Dress“ in der Apollo-Passage und Sprecherin der Händler. Sie hält den gemeinsamen Auftritt für ein wichtiges Projekt, um die Angebote in der Stadt besser zu vermarkten. „Damit können wir noch mal ganz neue Wege gehen, um externe Kunden für Wesel zu gewinnen“, ist sie überzeugt. Grundsätzlich sieht auch sie die City gut aufgestellt, das Sortiment sei breit gefächert, die Aufenthaltsqualität hoch. „Die Basis in Wesel stimmt“, betont Day. Am besten auch in Zukunft mit einem Kaufhof.