Wesel. Die aktuelle Hochwasser-Lage in Wesel ist harmlos im Vergleich zum Januar 1926. Damals erreichte das Wasser des Rheins sogar den Willibrordi-Dom.
„Das waren heuer Neujahrstage, wie sie der Niederrhein in Menschengeschlechtern nicht wieder vergessen wird, die Tage, da die großen Wasser kamen und der Rhein, der sanft von Düsseldorf bis Emmerich müde und träge dahinfließt, mit einem Male zu einem reißenden Strom anschwoll und niederrheinisches Land meilenweit in ein einziges großes Meer verwandelte.“ Mit diesen Worten beginnt der Autor Paul Trommershausen in einem historischen Lesebuch seine Schilderungen aus dem Januar 1926 in Wesel. Damals hatte in den ersten Tagen des neuen Jahres ein verheerendes Hochwasser die Stadt getroffen, nach heutigen Angaben erreichte der Pegel seinen historischen Höchststand von mehr als 12,30 Metern am 3. Januar 1926.
Der frühere Stadtarchivar Martin Roelen hat sich intensiv mit der Geschichte des Rekord-Hochwasser befasst und für die Internetseite der Stadt Wesel einen ausführlichen Text über die Ereignisse verfasst. Demnach lag der Grund für die schlimmen Fluten an einer ungewöhnlichen Wetterlage. Nachdem es im Rheinland zunächst auch bis in tiefe Lagen eine geschlossene Schneedecke gab, stiegen die Temperaturen Mitte Dezember an und es taute stark – dazu kamen heftige Regenfälle im gesamten Einzugsgebietes des Rheins und seinen Nebenflüssen. All das verstärkte die Hochwasserlage im Rhein.
Historisches Hochwasser in Wesel traf 1926 sogar den Willibrordi-Dom
Am Silvester-Tag 1925 wurden laut Roelen in der Rheinvorstadt mehrere Wohnungen geräumt, Pferde in die Stallungen der Artilleriekasernen untergestellt und einen Meter hohe Laufstege aufgestellt. „Die Rheinbrücke konnte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr über die Venloer Straße, sondern nur noch über die Zitadelle angefahren werden.“ Am Abend des 2. Januar 1926 wurde dann Wesels tiefer gelegener Westen überflutet. Über die Kanalisation drang das Wasser in die Niederstraße, den Entenmarkt und die Rheinstraße und stieg von dort in die nach Osten abgehenden Querstraßen.
Der Willibrordiplatz stand ebenso unter Wasser wie Hansa- und Grafenring oder das Hafengebiet. „Der Verkehr konnte in den betroffenen Straßen nur mit Kähnen aufrechterhalten werden“, schreibt Roelen. Die Häuser der Rheinvorstadt waren teilweise bis zum Obergeschoss geflutet. „Die Zitadelle vermittelte den Eindruck einer Wasserburg, da die rundherum noch vorhandenen Gräben voll Wasser liefen“, so der Historiker weiter. Über die Schillwiese drang das Lippehochwasser von Osten her ein und überschwemmte den Schützengarten, wo sich heute die Niederrheinhalle befindet.
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Der uns unbekannte Autor Trommershausen schildert dramatische Eindrücke aus dem Umland von Wesel, als das außergewöhnliche Hochwasser herrschte: „Soweit das Auge blickt – Wasser und immer wieder Wasser. 7000 Meter breit ist hier der Rheinstrom geworden. Unzählige Orte und Bauerngehöfte sind im Wasser begraben. Bis an das Dach stehen Scheunen und Wohnhäuser, Ställe und sonstige Viehgelasse im kalten, schmutzigen Wasser. Ein großartiges, aber schreckliches Bild. Dabei kamen die Wassermassen so schnell, dass die Bauern kaum ihr Vieh retten konnten.“
Hochwasser 1926 in Wesel: Es blieb bei Sachschäden
Ein Deichbruch drohte nicht, schreibt Martin Roelen vom Weseler Stadtarchiv. Nur bei Mehr konnte mit Erfolg ein Bruch verhindert werden. Bislich stand wegen des Grundwasseranstiegs ebenso unter Wasser wie Büderich und Ginderich sowie die Bahnhöfe der Boxteler Bahn von Büderich bis Birten. Am Morgen des 3. Januars erreichte das Hochwasser schließlich seinen höchsten Stand, nach einigen Tagen konnte schließlich der Schiffsverkehr wieder aufgenommen werden.
Glücklicherweise blieb es in Wesel bei Sachschäden, verletzt oder gar getötet wurde im Laufe der Naturkatastrophe in der Hansestadt niemand. Vom Hochwasser waren 335 Wohnhäuser und 21 gewerbliche Anlagen betroffen – der Gesamtschaden lag laut Martin Roelen bei 371.292 Mark, wobei der gewerbliche Schaden allein mit 230.640 Mark zu Buche schlug. „Unter die öffentlichen Schäden fiel auch die städtische Badeanstalt, die aufgrund des angerichteten Schadens weiter flussabwärts zum Wardsmannshaus hin verlegt werden musste“, schreibt der frühere Stadtarchivar.
Paul Trommerhausen berichtet zum Abschluss seines Artikels noch einmal über seinen Ausflug aufs Land während der Hochwasser-Tage: „Die Straße von Wesel nach Geldern ist ebenso ungangbar wie die von Rheinberg nach Xanten, auf weite Strecken hin steht sie unter Wasser. Ab und zu sieht man einen Reiter, das Pferd bis an den Bauch im Wasser, die Straße mühsam zu passieren.“