Wesel. Am 9. November wird in Wesel der Pogromnacht von 1938 gedacht. Auch in der Hansestadt gab es damals einen massiven Angriff auf jüdisches Leben.
- Am 9. November 2023 jährt sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal.
- Auch in Wesel schlugen die Nationalsozialisten damals zu und griffen jüdische Geschäfte und Einrichtungen an.
- Angesichts der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten, ruft Bürgermeisterin Ulrike Westkamp zur Teilnahme an der Gedenkveranstaltung auf.
Einen Monat ist der Terrorangriff der Hamas auf Israel nun her – rund 1400 Menschen wurden am 7. Oktober getötet, mehr als 220 als Geiseln genommen. Seitdem herrscht Krieg zwischen dem jüdischen Staat und der Terrororganisation im Gaza-Streifen. Angesichts der schrecklichen Entwicklungen im Nahen Osten und des immer sichtbarer werdenden Judenhasses in Deutschland rufen Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und der Jüdisch-Christliche Freundeskreis die Weselerinnen und Weseler dazu auf, sich am Donnerstag, 9. November, an der Gedenkveranstaltung zur 1938 von den Nationalsozialisten organisierten Pogromnacht zu beteiligen.
„Die Reichspogromnacht steht für den Antisemitismus in Deutschland“, sagt Westkamp. „Vor dem Hintergrund des Terrorangriffes auf Israel werben wir inständig dafür, dass möglichst viele Menschen zu der Gedenkveranstaltung kommen und die Gelegenheit nutzen, ihre Solidarität mit Israel zu zeigen.“
Reichspogromnacht in Wesel: Angriff auf die jüdische Gemeinde
Seit vielen Jahren organisieren der Freundeskreis und die Stadt Wesel gemeinsam die Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Geschehnisse in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Damals wurden auf Anordnung der nationalsozialistischen Führung überall in Deutschland jüdische Geschäfte und Wohnhäuser zerstört, Synagogen angezündet, Jüdinnen und Juden angegriffen.
Auch in Wesel wurden in jener Nacht zahlreiche Geschäfte jüdischer Inhaber geplündert und zerstört, Jüdinnen und Juden in ihren Wohnungen in „Schutzhaft“ genommen und ihre Wohnungen ebenso verwüstet wie das jüdische Gemeindehaus am Willibrordiplatz. Am Morgen des 10. November zündete die Weseler SS die Synagoge an. Um ein Übergreifen des gelegten Feuers auf die benachbarte Altstadt zu vermeiden, stellte die Freiwillige Feuerwehr eine Brandwache. Das Feuerwehr sollte aber nicht gelöscht werden, die Weseler SA sperrte den Brandort ab. Die Verwüstungen waren nicht auf den 10. November beschränkt.
Folge der schrecklichen Ereignisse war, dass zahlreiche Jüdinnen und Juden die Ausreise beantragten. Wer blieb, wurde deportiert und ermordet. Während im Jahr 1933 noch fast 160 Menschen jüdischen Glaubens in Wesel lebten, war die einstmals so lebendige jüdische Weseler Gemeinde 1943 ausgelöscht. Alle ehemaligen Weseler jüdischen Glaubens waren geflohen, deportiert und zumeist umgebracht worden.Ernest Kolman, gebürtiger Weseler und späterer Ehrenbürger der Stadt, erlebte die Pogromnacht in der damaligen Wohnung seiner Eltern in der Roonstraße in Köln. Die Wohnung der Eltern lag in unmittelbarer Nachbarschaft der jüdischen Synagoge. Ernest Kolman verstarb am 11. Januar 2021 im Alter von 94 Jahren in London.
Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in Wesel beginnt im Bühnenhaus
Stadt und Freundeskreis haben sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerungen an diese barbarischen Ereignisse aufrechtzuerhalten. Nun kommt in diesem Jahr die unerwartete Aktualität dazu. „Bei der Planung konnten wir nicht absehen, dass sich das Weltgeschehen in einer derartigen Brisanz verändern wird“, sagt der evangelische Superintendent Thomas Brödenfeld. Den Ablauf der Veranstaltung wollen die Organisatoren nicht verändern, gleichwohl setzen sie aber auf eine deutlich stärkere Beteiligung. „Es ist die Möglichkeit für die Weseler Bevölkerung zu zeigen: Wir stehen an der Seite Israels.“
Die Gedenkveranstaltung beginnt am Donnerstag um 19 Uhr im Städtischen Bühnenhaus, dort wird Arno Kempf, Schauspieler der Burghofbühne in Dinslaken, Passagen aus den Erinnerungen des Weseler Juden Erich Leyens vorlesen. Der Einzelhändler, der bis 1934 das am Großen Markt gelegene Kaufhaus „Leyens & Levenbach“ führte, hatte sich öffentlich gegen die SA-Truppen der Nationalsozialisten gestellt. Schließlich musst er mit seiner Familie fliehen – heute ist ein zentraler Platz in der Innenstadt nach ihm benannt. Nach dem Gedenken im Bühnenhaus findet der Lichtergang zum jüdischen Mahnmal am Dom statt. Die Veranstaltung ist für jeden offen und zugänglich. Im Bühnenhaus ist Platz für 750 Menschen, die Teilnehmerzahl des Lichterzuges ist nicht begrenzt.