Wesel. Der Jüdisch-Christliche Freundeskreis und die Stadt erinnern wieder öffentlich an die Pogromnacht. Eine Dokumentation steht dabei im Mittelpunkt.
Im vergangenen Jahr musste es pandemiebedingt bei einer kurzen Kranzniederlegung bleiben. In diesen Jahr wird die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am 9. November wieder stattfinden – wenn auch mit einem etwas verkürzten Programm. Angesichts der jüngsten antisemitischen Vorfälle in Deutschland sind Wolfgang Jung vom Jüdisch-Christlichen Freundeskreis und Bürgermeisterin Ulrike Westkamp froh darüber, dass sie wieder an die Ausschreitungen erinnern können, denen die jüdischen Bürger 1938 auch in Wesel ausgesetzt waren.
Bei der öffentlichen Veranstaltung am Dienstagabend um 19 Uhr im Städtischen Bühnenhaus stellen die Organisatoren einen Mann in den Mittelpunkt, der die Pogromnacht miterlebt hat und dennoch eine lange Freundschaft zu seiner Heimatstadt pflegte: Ernest Kolman, der im Januar 2021 verstorbene Ehrenbürger der Stadt. Gezeigt wird eine gekürzte Fassung eines Films über und mit dem gebürtigen Weseler, der 1926 unter unter dem Namen Ernst Kohlmann zur Welt kam.
Dokumentation erzählt aus dem Leben von Ernest Kolman
Die gut 50-minütige Originalversion einer Dokumentation des Filmemachers Stephan de Leuw aus dem Jahr 2016 zeigt neben einem Interview von Ulrike Westkamp mit dem damals 90-Jährigen Szenen aus Köln und London, wo Ernest Kolman später lebte. Am 9. November wird eine komprimierte Version gezeigt, die sich auf das Interview konzentriert, in dem der Ehrenbürger über sein Leben und das Schicksal seiner Familie spricht.
Kolman selbst hat die Pogromnacht in Köln erlebt, wo er seit 1934 lebte. 1939 gelangte er über einen Kindertransport nach England, seine Eltern wurden 1941 deportiert und in Riga ermordet. Ernest Kolman nahm die britische Staatsangehörigkeit an und lebte mit seiner Frau und den beiden Kindern in London. 1988 kam er zum 50. Jahrestag der Pogromnacht nach Wesel, seitdem verband ihn eine enge Freundschaft mit der Stadt, die er rund 30 Mal besuchte – auch, um aufzuklären und über seine Familie zu berichten.
Eigentlich hatten sich die Organisatoren des Gedenktages in diesem Jahr sehr darauf gefreut, dass sein in den USA lebender Sohn Timothy Kolman zur Veranstaltung nach Wesel kommen wollte. Doch er musste leider kurzfristig absagen. „Er will aber in absehbarer Zeit nach Deutschland kommen“, berichtet Ulrike Westkamp.
Die jüdische Gemeinde in Wesel wurde völlig ausgelöscht
Die Gedenkveranstaltung erinnert aber nicht nur an die Familie Kohlmann, sondern an alle jüdischen Mitbürger Wesels, die die Plünderungen und Zerstörungen in der Nacht von den 9. auf den 10. November miterleben mussten. Am Morgen des 10. November zündete die SS auch die Synagoge an der Rheinstraße an. Viele jüdische Bürger versuchten anschließend auszureisen – doch nicht alle erhielten eine Genehmigung, sie wurden deportiert und in den meisten Fällen ermordet. Die einst 160 Mitglieder starke Gemeinde wurde völlig ausgelöscht.
Schulen und Institutionen können sich den Film „Ernest Kolman – Erinnern gegen das Vergessen“ übrigens beim Stadtarchiv ausleihen. Anfragen bitte per Mail an archiv@wesel.de
>>Lichtergang zum jüdischen Mahnmal
Die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht findet am Dienstag, 9. November, um 19 Uhr im Städtischen Bühnenhaus statt. Neben musikalischen Beiträgen und der Filmvorführung gibt es eine Begrüßung durch Wolfgang Jung und ein Grußwort von Bürgermeisterin Ulrike Westkamp. Nach der Gedenkstunde starten die Teilnehme wieder zum traditionellen Lichtergang zum jüdischen Mahnmal am Willibrordi-Dom.