Wesel. Nach dem Angriff auf Israel ist es in der Weseler Öffentlichkeit weitgehend still, was Solidaritätsbekundungen an geht. Das könnte sich ändern.
Bilder aus dem Spätwinter 2022: Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gehen in Wesel immer wieder Menschen auf die Straße, um gegen den Krieg in Europa zu demonstrieren. Aktivisten rufen zu Mahnwachen auf, auf dem Großen Markt demonstrieren hunderte Menschen und die Meldungen vom Protestzug durch die Innenstadt, an dem mehr als 2000 Schülerinnen und Schüler teilnehmen, schaffen es bundesweit in die Nachrichten. Auch in der Nachbarschaft ist die Anteilnahme mit der Ukraine riesig, in Hamminkeln wird von Gesamtschülern die wohl größte Demonstration veranstaltet, die es in der Stadt je gab.
Vergleichbare Bilder fehlen im Herbst 2023. Nicht nur in Wesel, sondern in den meisten Städten in Deutschland, ist zumindest die öffentliche Solidarität mit Israel nach dem hinterhältigen Terrorangriff der Hamas kaum bis gar nicht wahrnehmbar. Das einzige sichtbare Zeichen in der Hansestadt: Vor dem Kreishaus hängt seit Mitte Oktober die israelische Flagge neben der ukrainischen. Außerdem haben sich die Fraktionen im Stadtrat auf Initiative des Jüdisch-Christlichen Freundeskreis der Stellungnahme des Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit angeschlossen, in dem der Angriff der Hamas scharf verurteilt wird.
Ratssitzung in Wesel: Solidarität mit Israel wird großes Thema
Das war am 14. Oktober. Seitdem ist es weitgehend still, was die öffentlich bekundete Solidarität mit Israel in Wesel angeht. Doch nun kommt vor der Ratssitzung am kommenden Dienstag, 7. November, auf politischer Seite wieder Bewegung in die Sache. So liegen gleich mehrere Anträge vor, die sich mit dem Terrorangriff der Hamas auf den jüdischen Staat und dem Krieg im Nahen Osten beschäftigen.
„Es ist Zeit, dass auch wir jetzt in einer schwierigen Phase für Israel Solidarität zeigen“, fordert Ludger Hovest, der Fraktionsvorsitzende der SPD. „Wir beantragen, dass zur Ratssitzung am Rathaus und im Ratssaal aus Solidarität die Flagge von Israel aufgezogen wird.“ Zudem fordern die Sozialdemokraten von Bürgermeisterin Ulrike Westkamp eine deutliche Erklärung der Solidarität und gegen jeden Form des Antisemitismus abzugeben.
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Ähnlich sieht es die FDP. Deren Fraktionschef Michael Oelkers erwartet von der Stadtverwaltung darüber hinaus eine schriftliche Erklärung, die den Angriff der Hamas verurteilt und die Unterstützung des jüdischen Staates deutlich macht. „Die Stadt Wesel steht unverrückbar an der Seite Israels. Wir stellen uns gegen alle, die den ungerechtfertigten Akt der Aggression befürworten. Hierfür ist in unserer Stadt kein Platz“, so Oelkers. Seine Fraktion will zudem ebenfalls, dass am Rathaus die israelische Flagge gehisst wird. „Damit soll auch unsere Anteilnahme mit den unschuldigen Opfern und deren Angehörigen zum Ausdruck gebracht werden“, heißt es in dem entsprechenden Antrag der Fraktion.
Die CDU-Fraktion unterstütze die Anträge der Liberalen und Sozialdemokraten ausdrücklich, betont der Fraktionsvorsitzende Jürgen Linz in einem Schreiben. Zugleich übt sie Kritik am Vorsitzenden des Integrationsrates, Cihan Sarica. „Erneut reagiert er nicht auf internationale Konflikte, die auch in unserem Land zur Spaltung von gesellschaftlichen Gruppen führen, anstatt Worte der Versöhnung und des Miteinander, gegen Kriegshandlungen und Gräueltaten an die Weseler Bevölkerung zu richten“, formulieren es die Christdemokraten. Wie schon die FDP fordert die CDU, dass sich der Integrationsrat in einem Statement vom Terror der Hamas distanziert.
Am 9. November gibt es in Wesel eine Gedenkveranstaltung
Politische Bekundungen und gehisste Flaggen sind eine Sache, öffentliche Demonstrationen für Israel eine andere. Einen solchen Aufruf gibt es aber bisher nicht. „Ich bin etwas enttäuscht über das, was bisher in Wesel passiert ist“, sagt dazu SPD-Fraktionschef Ludger Hovest. Er will sich deshalb in der Ratssitzung dafür einsetzen, dass alle Fraktionen und die Verwaltung die Bürgerinnen und Bürger dazu aufrufen, sich an der traditionellen Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am 9. November zu beteiligen. „Das wäre der richtige Rahmen, sein Mitgefühl für alle Toten in diesem Krieg auszudrücken“, so Hovest.
Üblicherweise steht an diesem Tag eine Veranstaltung im Bühnenhaus und ein Lichterzug zum Holocaust-Denkmal hinter dem Dom an. „Möglicherweise muss man in diesem Jahr darüber nachdenken, den Ablauf etwas zu verändern, damit möglichst viele Menschen teilnehmen können“, sagt Hovest. Die Details möchten die Stadtverwaltung und der Christlich-Jüdische Freundeskreis am Montag bekanntgeben.
Dessen Vorsitzender Wolfgang Jung spricht sich gegenüber der NRZ dafür aus, einen „möglichst breiten, gesellschaftlichen Diskurs“ über die Ereignisse im Nahen Osten zu führen. Die Situation mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine und dem Terrorangriff der Hamas möchte Jung nicht vergleichen. „Die Lage im Nahen Osten ist viel komplexer.“ Er könne aber verstehen, wenn viele Menschen angesichts der multiplen Krisen in der Welt etwas müde und kraftlos seien. Die Solidarität mit Israel soll am 9. November in Wesel jedenfalls hochgehalten werden. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen“, sagt Jung.