Wesel. Der Hausbau in Wesel geht zurück: In 2023 wurden bislang deutlich weniger Baugenehmigungen erteilt als in den Vorjahren. Das sind die Gründe.

War’s das jetzt endgültig mit dem Bauboom? So zumindest könnte man die Zahlen deuten, die das Pestel-Institut jetzt in einer Regionalanalyse ausgewertet hat: Demnach ist der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern im Kreis Wesel ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 73 Prozent zurückgegangen. Der Kreis-Trend scheint auch für die Stadt Wesel zuzutreffen, denn auch hier deutet sich für das laufende Jahr ein Rückgang der Bautätigkeiten an.

2018 war die Hochphase des Neubaus

Zum Vergleich: Laut Stadtverwaltung wurde im Jahr 2022 der Bau von insgesamt 36 Ein- und Zweifamilienhäuser genehmigt. Nun ist 2023 bereits zu drei Vierteln verstrichen und bislang sind es erst 16. Das ist hochgerechnet zwar kein Rückgang von 73 Prozent, aber doch ein deutlicher. Zumal das Niveau ohnehin schon abgesackt war. Betrachtet man die vergangenen zehn Jahre, wurden 2018 die meisten Baugenehmigungen erteilt – nämlich 90. Dann sank die Zahl leicht auf 78 (2019) und 61 (2020) bevor sie 2021 auf 35 abstürzte. Damit wurden 2021 und 2022 ungefähr genausoviele Baugenehmigungen erteilt wie 2013 (32) und 2014 (35).

Den massiven Rückgang der Bauprojekte für Ein- und Zweifamilienhäuser beobachtet auch Thomas Stachowski, der als Gebietsleiter der LBS für den gesamten rechten Niederrhein zuständig ist: „Bei uns ist der Neubau komplett zum Erliegen gekommen.“

Die Gründe dafür, so führt Stachowski aus, seien vielfältig. Nicht allein die hohen Preise und die Zinsentwicklung lassen Bauherren und Bauträger zögern, hinzu kommt eine gewisse politische Verunsicherung – Stichwort: Heizungsgesetz – sowie Lieferengpässe, die Bauvorhaben schwer kalkulierbar machen. „Die Leute sind in der Abwarte-Haltung“, formuliert Stachowski. Einige Bauprojekte lägen mittlerweile auf Eis, weiß der LBS-Chef. Es gibt also auch weniger Angebote, mit denen Immobilien-Interessenten den Traum vom eigenen Neubau realisieren können.

SPD-Chef: Bauzinsen sind kein Argument

Die Zurückhaltung bei Bautätigkeiten lässt sich auch bei anderen Bauprojekten sehen, nicht nur bei den Ein- und Zweifamilienhäusern. Und bei weitem nicht nur in Wesel oder am Niederrhein. Schlagzeilen machte beispielsweise der große Immobilienkonzern Vonovia, der den Bau von 60.000 Wohnungen auf Eis gelegt hat. Begründung: Zu hohe Zinsen und Baukosten.

„Bauzinsen können kein Grund sein, wieso man jetzt nicht baut“, findet Ludger Hovest (SPD), schließlich seien die zum Beispiel in der Zeit der Wiedervereinigung noch deutlich höher gewesen. Der aktuell diskutierte Wohnbau-Stopp sei „ein völlig falsches Zeichen“, deshalb wollen die Sozialdemokraten noch einmal aktiv für das Bauen in der Hansestadt werben: „Der Grundstücksmarkt ist zwar in Wesel angespannt, aber es gibt auch für Bauwillige Chancen.“

Hovest verweist zum Beispiel auf die künftigen Baugebiete „Am Schwan II“ und III, das Hessenviertel in der Feldmark, den Bereich zwischen Reeser und Emmericher Landstraße in Flüren sowie das ehemalige Heubergbad. Große Chancen sieht der Fraktionsvorsitzende außerdem in dem sich derzeit vollziehenden Generationenwechsel: Viele „Knusperhäuschen“ auf zum Teil riesigen Grundstücken in den Außenbereichen wie Bislich, Büderich oder Ginderich würden aufgegeben oder frei, argumentiert Hovest, „und die Bebauungspläne geben alle mehr her als ein Knusperhäuschen.“ Hier böte sich die Chance Mehrfamilienhäuser oder Doppelhaushälften zu errichten. „Das gefällt nicht allen, aber das ist geltendes Recht.“